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Dirty Projectors – Dirty Projectors

Was für ein Wirrwarr, was für ein Gewusel. Zurückgeworfen auf die Ausgangssituation, ein Alleinunterhalter zu sein, heißt das siebte Dirty Projectors Album nicht nur einfach „Dirty Projectors“, es ist auch David Longstreths bestes.

Wie jetzt? Die Könige des gelungenen Dissonanz-Pop, die an Vielstimmigkeit und unüberschaubarer Bandmitgliederanzahl ihresgleichen suchten, nur noch eine One-Man-Show?

Nun, genau so fing es an im Jahre 2003, mit Longstreth und seinen eigenen Songideen, während er an der schnieken Yale-Uni dem Studieren nachging. In Amber Coffman aber fand er alsbald nicht nur eine Partnerin in der Liebe, sondern auch in der Musik, sowie gemeinsame Heimat in Brooklyn.

So kam sie zustande, die flirrende Vielstimmigkeit des Duos Dirty Projectors, die mit tausendundeinem Freund um die Inspirationswette musizierten. Die Liste vergangener Bandmitglieder ist fünf Mal so lang wie die aktuelle Besetzungsstärke, ein Quartett, anno 2017. Und enthält so illustre Namen wie Vampire Weekends Ezra Koenig.

Die musikalisch so fruchtbare Liebe zwischen Longstreth und Coffman, die stetig immer schönere Blüten trieb, wie zuletzt die Alben „Bitte Orca“ (2009) und „Swing Low Magellan“ (2012), sie ist nicht mehr. Longstreth zog zur Krisenbewältigung nach Los Angeles – because he can – ließ sich einen schicken Bart wachsen und steht nun wieder alleine da.

In der Zwischenzeit war er ja wahrlich nicht untätig und verdiente sich Meriten als Indie-goes-Mainstream-Producer und Songschreiber. Beats für Kanye und Hits für Solange. Beruflich geht’s David Longstreth wahrlich nicht schlecht. Dennoch sind fünf Jahre vergangen, bis ein eigenständiger Verarbeitungsversuch dessen, was im Leben so vorgefallen ist, erfolgreich unternommen werden konnte.

„Dirty Projectors“ ist ein waschechtes Trennungsalbum, durchzogen von reüssierender Bitterkeit und Resignation. Und doch ist es alles andere als ein Trauerkloß, wie Beck mehrfach so unerreicht traurig hinzuwerfen verstand auf „Mutations“ und vor allem auf „Sea Change“.

Nein, dieselbe abenteuerliche Liebe zum Pop beseelt auch dieses Dirty-Projectors-Album. Übereinandergestapelte Gesangsspuren, überaufdringlich verzerrt mit allerlei Auto-Tune, vor und zurückgespulte Rhythmus-Schnipsel aus diversen Synthesizern: ein Dschungel an dissonanten, gegeneinander laufenden, aufsehen-erregenden Sounds.

Was das siebente Album aber vom Rest distinguiert, ist die rhythmische Grundrichtung. Waren Dirty Projectors früher doch schon irgendwie als Indie-Rock-Band zu verorten, geht die Reise für Longstreth nun emanzipatorisch weit weg von Band-Sounds zu Hip-Hop- und electronica-lastigen Beatstrukturen.

Steht einem leid-verarbeitenden Liebesschmerz-Album unglaublich gut.

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