„The queerest of the queer“ besang Shirley Manson bereits Anfang der Neunziger. Ob die Garbage-Frontfrau damals bereits die Vision einer queeren Supergroup hatte ist ungewiss.
Gewiss ist aber, dass Performance-Ikone Tucké Royale und Musik-Irrwisch Hans Unstern sich 2016 zusammenfanden, um gemeinsam Geschlechtergrenzen aufzulösen. Dabei hat ihr Projekt nichts mit den Formaten Boy- und schon gar nicht Oi! – zu tun, es sind die Zweifel am zeitgemäßen der Männerrolle, die sie hier akustisch und thematisch in Szene setzen.
Die entstandenen Abhandlungen packen sie in elf Stücke, für das Debüt-Album wurde das Line-Up außerdem mit dem Rapper und Produzenten Black Cracker, der demnächst auch wieder gemeinsam mit KiKu und Blixa Bargeld auf einem Album zu erleben sein wird, vervollständigt.
„The Year I Broke My Voice“ heisst die Überschrift der Veranstaltung und schon ist man mittendrin im XY-Chromosomen-Dilemma. Schließlich kommt es neben dem Stimmbruch zu einer ganzen Reihe von Veränderungen am und im Körper eines Heranwachsenden, mit dem der ein oder andere nicht ganz einverstanden ist.
Unstern jedenfalls überlistet diese Falle der Natur mit einer hohen Extrem-Stimmlage, während Royale seine Stimmbänder in dramatisch-tieferen Tonlage vibrieren lässt. Was initial noch wie der neueste Streich von Bonaparte klingt, füllt sich bald mit entgrenzender Eigendynamik. Dabei so bunt, als wäre Georgette Dee auf einem eigenen CSD-Wagen unterwegs.
Wie beim Solo-Auftritt hantiert Unstern auch bei der Boiband mit allerlei skurrilen Tonerzeugern, Harfen Marke Eigenbau werden eingebunden, selbst die Spieluhr hat ihre großen Momente. Es scheppert und hallt, Royale rumpelt dazu im Stile einer „The“-Band über seinem Schlagzeug, während Black Cracker an der Digitaltechnik das Ganze in Arrangements bündelt und für das Treibende in den Beats sorgt.
Denn das Trio zielt zwischen aller Gender-Theorie nicht nur auf den Kopf, sondern auch auf das Tanzbein, zwischen „Motherfucker“ und „Cocksucker“ ruft die Boiband hüftschwingend zur Liebe auf dem „Bikini Atoll“ auf.
Bei aller Ambitioniertheit ist „The Year I Broke My Voice“ etwas zu speziell geraten, um außerhalb der ohnehin involvierten Zielgruppe zu punkten.