15 Jahre Grand Hotel van Cleef. Deutschlands Indie-Label Nummer Eins möchte beim Heimspiel in Hamburg ein gebührendes Jubiläumskonzert im Rahmen des Fest van Cleef geben. Damit das alles rund läuft, gönnen sich die Protagonisten Kettcar und Thees Uhlmann zwei Generalproben. Eine in Düsseldorf, eine in Karlsruhe, beide restlos ausverkauft.

„Das ist schon erstaunlich, dass wir damit durchgekommen sind,“ sagt Uhlmann, der mit seinen deutlich jüngeren Mitmusikern die Songs seiner beiden Soloplatten in einem sehr heißen Karlsruher Substage auf die Bühne bringt. Er meint damit die Label-Gründung, die er zusammen mit Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch und Kettcar-Bassist Reimer Burstorff vor 15 Jahren riskierte.

Dass es zu so einer Erfolgsgeschichte kommen würde, hätten die drei damals selbst nicht gedacht. „Das Leben ist hart, aber das nehm‘ ich in Kauf/ Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“, jubelt Uhlmann enthusiastisch ins Mikrofon. Eine Zeile, die vor diesem Hintergrund noch eine ehrlichere Facette hinzugewinnt. Es ist noch immer der beste Song, den Uhlmann seit dem inoffiziellen Ende von Tomte geschrieben hat.

Auf Tomte-Songs muss die schwitzende Fleischmasse aus Hamburger-Schule-Fans trotzdem nicht verzichten. „Schrei den Namen meiner Mutter“ und „Ich sang die ganze Zeit von dir“ werden frenetisch beklatscht und besungen.

Ansonsten gibt es Uhlmann par excellence. In Jeans-Jacke erzählt er am Rande zum Overacting Anekdoten aus seinem Leben, die kurz vor dem Kippen doch noch die richtige Pointe setzen.

Eine geht so: „Ich bekomme ständig Nachrichten von entfernten Internet-Bekannten, die mir schreiben, ‘zieh bei mir in Keller‘ oder ‚wir können alle deine Songs auf Blasinstrumenten, lass uns gemeinsam Songs schreiben‘, …und ich hab‘ das fast immer gemacht.“

Er sagt es und bittet die vierköpfige Bläserkombo The Honry Horns für die letzten vier Stücke seines Sets auf die Bühne. So geht intelligente Unterhaltung zwischen den Wochenenden.

Weniger pathetisch, aber genauso herzlich und herzergreifend wird es anschließend bei Kettcar. „Deiche brechen richtig, oder eben nicht“, singt Marcus Wiebusch – dem für manche seiner Zeilen der Pulitzer-Preis gebührt – gleich zu Beginn.

Die Deiche brechen wirklich, denn im gefühlt 50 Grad heißen Substage ist inzwischen kein Hemd mehr trocken. Auf der Bühne sind die fünf in schwarz gekleideten Kettcar-Jungs nur noch triefende Textilklumpen.

Der Stimmung tut das keinen Abbruch, weil die Botschaften vieler Songs immer wieder die Köpfe abkühlen. Zur Hälfte der Show spielen Kettcar ihre nagelneue Single „Sommer ‘89“. Das Stück über einen Fluchthelfer an der Österreich-Ungarischen-Grenze ist schon jetzt der deutschsprachige Song des Jahres. Widerspruch zwecklos.

Das Storytelling von Wiebusch und sein Blick für’s Detail sind hier erneut überwältigend. Wenn das Stück ein erster Vorgeschmack für das im Oktober erscheinende fünfte Album „Ich Vs. Wir“ ist, von dem Kettcar noch einen weiteren spielen, steht uns Großes bevor.

Wiebusch ist an diesem Abend in Bestform, selten hat er so deutlich gesungen, war so gut zu verstehen.

Seine Band war das zuletzt nicht immer. Mit dem vierten Album „Zwischen Den Runden“ wirkten Kettcar irgendwie auserzählt. Sollten sie jetzt wieder politischer werden und in alter „But Alive“ Tradition den Finger in die Wunde legen, kommen Sie keine Sekunde zu früh zurück.

Wie sehr einem auch live die mitreißenden Gesellschaftskritiken von „Graceland“, „Money Left To Burn“ oder „Deiche“ fehlten, wird einem erst jetzt wieder bewusst, wo sich die Hamburger so vehement zurück in die Feuilletons und Nachrichtenmagazine spielen.

„Donnerstag ist der kleine Samstag“, sagt Wiebusch. Das Publikum feiert genauso zu „Ladungsbrücken Raus“ „Stockhausen Und Bill Gates & Ich“, es leidet mit dem Typen vom „Balkon gegenüber“, es schwärmt für „Balu“, den Tanzbären und es lacht sich schlapp über die derb-gerissenen Halbwahrheiten von Reimer Bustorff.

Bezeichnend, dass Kettcar den Abend nicht mit einer tragisch-ernsten Nummer beschließen, sondern den als Gag getarnten Bonustrack „Mein Skateboard kriegt mein Zahnarzt“ vom Debüt „Du und wieviel von deinen Freunden“ raushauen.

Der Song ist der Beweis dafür, dass sie sehr ernst können, ohne ernst zu sein. „Und am besten auf dich, reimt sich immer noch mich/ Und sehr schön auf Trost reimt sich immer noch Prost“.

Die Generalprobe mit Bravour bestanden, alles Gute zu 15 Jahren Grand Hotel van Cleef!

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