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Patti Smith – Live im Stadtpark, Hamburg

Ein bunter Abend mit der „Godmother des Punk“: Patti Smith auf der Openair Bühne im Stadtpark Hamburg. Das Wetter ist uns hold, der romantisch von Hecken umrandete Bereich füllt sich schon sehr früh.

Für Unterhaltung ist gesorgt, kein geringerer als Patti’s langjähriger Weggefährte Lenny Kaye gibt gut gelaunt den DJ, beim Konzert übernimmt er eine der Gitarren. Rock-Klassiker, ausschließlich auf 7“ passen zur Erwartung, zeitgleich wird das Schlagzeug liebevoll mit weißen und roten Rosen dekoriert.

Unprätentiöser kann ein Auftritt nicht sein. Die lange, ungezähmte Mähne mit 70 Jahren nahezu weiß, Teetasse in der Hand, unvermeidbar das schwarze Schlabbersakko. Relaxed-fröhliches Winken in die Menge.

„Wing“ eröffnet als ruhige Ballade, mit nur 20 Jahren auf dem Buckel eines der „aktuelleren“ Stücke des Abends. Mit „Dancing Barefoot“ geht es rockiger weiter, erste Kostproben der einzigartigen Stimme schimmern durch.

Emsiges Treiben auf der Bühne, zwischen jedem Stück werden Instrumente getauscht. Vorne auf der Rampe zum Publikum steht Patti förmlich „über den Dingen“. Nicht ganz von dieser Welt, aber doch mittendrin.

„Ghost Dance“ dreht nach langer Erklärung zu Hopi-Indianern die Intensität hoch und den Sound in Richtung frühe Jahre. Die erste Hommage des Abends zu Gunsten William Blakes, “My Blakean Year” beginnt Patti alleine auf der akustischen Gitarre.

Die menschliche Gesellschaft, wichtige Persönlichkeiten, Erinnerungen, Jubiläen…alles hat hier eine Bedeutung, wirklich alles. Jedes Stück eine Geschichte, einen Hintergrund und eine Meinung.

In diesem Kontext folgt ein U2 Cover von „Mothers Of The Disappeared“, das sie vor wenigen Wochen halb spontan mit Bono in Paris gesungen hatte.

Gedichte rezitiert Patti mit Brille und Buch. Die Energie ihrer Stimme explodiert richtig, beeindruckend, wieviel Aggression in das berühmte F-Wort reinpasst. Das klingt nach vergangenen Zeiten.

Inhaltlich eine Hommage an den Regisseur Tarkovsky, musikalisch an Sun Ra, entwickelt sich „Tarkovsky (The Second Stop Is Jupiter)” zu einer gefühlt nie endenden Jamsession. Der Druck der Musik nimmt zu. Übrigens eines der ersten Aufnahmen, bei der ihr Sohn Jackson Gitarre spielt. Auch an diesem Abend ist er auf der Bühne dabei.

Genau heute jährt sich der Aufbruch von Lenny Kaye nach San Francisco zu seinem „Sommer Of Love“ zum fünfzigsten Mal. Das feiert er gebührend mit „A Day In The Life“ von den Beatles. Patti zieht sich solange auf die Toilette zurück.

Das bietet danach eine originelle Grundlage für die nächsten Ansagen. Stichworte Bathroom, Harvey, Dragonfly, Toilet Paper. Ja, das kann nur verstehen, wer dabei war.

“Because The Night“ bringt Hitparaden-Feeling und hebt die Stimmung in neue Höhen.

Zum Schluss: „Jesus died for somebody’s sins but not mine“. Einer der berühmtesten Sätze der Musik-Historie zeigt, was das Publikum hören will. 4.000 Leute beweisen mit maximalem Engagement, dass sie fehlerfrei „G-L-O-R-I-A“ buchstabieren können. Welches Stück sollte den Gig abschließen, wenn nicht dieses? Ruhiger gespielt als vor 40 Jahren, nicht minder intensiv vorgetragen.

Als Zugabe noch ein Jubiläum. Elvis’ Tod vor genau 40 Jahren wird mit seinem “Can’t Help Falling in Love” gebührend romantisch bedacht. Wer dachte, er kommt aus dem ersten Konzert dieses Jahr ohne Kommentare zu Donald Trump raus, hat sich getäuscht, spät aber doch. Wäre ja auch komisch gewesen.

Kein klassisch stringenter Konzertabend. Ein wahrhaft bunter Abend, viele Geschichten, einige Wendungen, viel Bedeutung und sehr unterschiedliche Musik.

Wo war der Punk? Sicher nicht in der Musik. Die war rockig, teilweise soulig und tendenziell eher harmoniebedürftig.

Der Punk ist die Stimme und das Auftreten der „Godmother of Punk“, erwachsen und energetisch. Da nimmt man unflätige Worte sehr, sehr ernst. Beeindruckend.

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