Playback-Show mit Genie im Dunkeln.
„Please keep it dark tonight“. Bis wir an der Bühne sind, haben wir verstanden, dass Tricky keine Fotos mag. Mehrfach. Mit Nachdruck.
Der Vinylizer, ein lokaler DJ, sorgt schon mal für die richtige Stimmung. Trip-Hop Klassiker rauf und runter.
Licht aus, minimal rote Strahler. Erst kommt Security an die Bühne, dann der Meister selbst.
Schlabberhose, schwarzes Muscle-Shirt, charakterstark entrückter Blick – alle Erwartungen erfüllt. „You don’t wanna“ als instrumentaler Anfang. Tricky tanzt mit dem Rücken zum Publikum. Langsam, spannungsgeladen.
Erster Gesang von ihm, mehr gehaucht als gesungen. Bewegt sich schattenartig über die Bühne. Die Gitarre arbeitet sich im Hintergrund langsam vor. Tricky schüttelt sich zuckend.
Die Gastsängerin erscheint zu „I’m Not Hoing“. Blond, jung, aufgeräumt – stärker könnte der Kontrast zum abgelebten Hero des Trip-Hop nicht sein. Ihr Gesang funktioniert fürs erste. Aber halt doch nicht das Original. Dafür steht sie vorne im Licht.
Es baut sich langsam, aber stetig auf, der typische Sprechgesang, getragen von düster-romantischem Sound. Von Stück zu Stück treibender, die Beats werden schneller.
Tricky tanzt sich in Rage. Ein Arm zersticht förmlich die Luft, nahezu panisch zieht er dauernd das T-Shirt nach oben. Wieder alleine packt er beide Microständer auf Armeslänge. Seine Stimme geht ins Blut. Roboterartig zuckt er mit den Ständern über die Bühne, peitscht mit den Kabeln. Hinterlässt ein Chaos aus Ständern und Micros, fällt fast wieder drüber.
Er macht keine Musik mehr, jetzt ist er die Musik. Tiefe Beats treiben die starke Gitarre. Micro abwechselnd am Mund oder an der Brust. Rabenartiges Krächzen. Er steigert sich in komplette Ekstase. Aggression, Wut, Verzweiflung? Von allem was dabei. Ein Highlight des Konzerts, wussten wir nur noch nicht.
Die Sängerin kommt wieder zu „Running Wild“. Tricky lässt sie immer mehr alleine im Rampenlicht. Redet mit dem Schlagzeuger, raucht eine. Das Stück entfaltet eine Dramatik ohne Tiefe. Aber der Druck hält. Schwupp, nach 50 Minuten sind sie weg.
Applaus, „Zugabe“, und wieder da. Ohne Tricky. Erste Töne von „Overcome“, Begeisterung kommt auf. Da beginnt die Karaoke-Show. Der Text steht zum Glück auf der Monitor-Box.
Sound akkurat aus dem Computer, der Schlagzeuger bemüht sich. Die Stimme so weit weg vom Original, wie es nur sein kann. Klingt wie die dritte Probe. Tricky kommt wieder, das Playback-Gefühl geht nicht weg. Ab und zu bemüht er sich, dann wieder versteckt er sich.
Zweites Highlight „When We Die“. Brutal reduzierter Sound. Tricky singt ohne Begleitung. Teilweise nur Drums und seine Stimme ohne Micro. Wieder eine Einheit mit der Musik. Man versteht sofort, wie dieser Typ ein ganzes Musikgenre, wenn nicht erfinden, dann doch nachhaltig prägen konnte.
Und auch schon wieder vorbei, es plätschert nur noch. Die Sängerin bemüht sich redlich. Der Eindruck, dass sich die Band erst seit ‘ner Woche kennt, geht nicht mehr weg. Tricky ist auf der Bühne, aber wenig präsent.
Zum Abschluss der Klassiker – alle auf die Bühne. Genau! Jetzt ist Party! Ein paar publikumswirksame Umarmungen und weg ist er. Dafür haben alle anderen Spaß. Zum Finale muss die Arme nochmal „Overcome“ singen. Die Security räumt währenddessen die Bühne.
Live wird Tricky ein Opfer seiner eigenen Genialität. Durch den Projekt-Charakter seiner Musik ist es unvermeidbar, zu simulieren. So viele Personen passen in kein Tour-Budget und in schon gar keinen Zeitplan.
Kombiniert mit seiner sprunghaften Laune bleibt ein fader Schlussgeschmack. Man muss sich schon bewusst an die Highlights erinnern wollen.