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Tom Grennan – Live in halle02, Heidelberg

Entspricht ein Konzert nicht ganz den Erwartungen, ist häufig vom Funken zu lesen, der angeblich nicht übergesprungen sei. Der Künstler hätte etwa verpasst, das Publikum abzuholen und mitzureißen, weil das dem Anschein nach nur apathisch die Arme verschränkt und reglos zur Bühne geglotzt habe.

Wenn man Tom Grennan eines nicht vorwerfen kann, dann das. Der Funke ist schon da, bevor der junge Brite überhaupt die Bühne betritt. Einmal die mit Bedacht zugehackten Arme nach oben gerissen, und schon wird aus dem Funken ein Flächenbrand, da hat der Schönling noch keinen Ton gesungen.

Die ausverkaufte halle02 feiert Grennan wie den frisch gebackenen Popstar, den er im Begriff ist, zu werden. Die Libertines haben das schon früh erkannt und ihn als Support mit auf Tour genommen. Sie werden nicht die letzten bleiben. Wer noch vor Release seines ersten Longplayers Clubs ausverkauft und in Rage versetzt, weckt Begehrlichkeiten.

Die ersten Reihen gehören dabei fast ausnahmslos den jungen weiblichen Fans, die sich nicht scheuen, ihrer allgemeinen Überzahl Gehör zu verschaffen. Rund die Hälfte der männlichen Besucher zählt zum zwangsverpflichteten Begleitpersonal, das schweigend der Dinge harrt, die da kommen.

Die andere Hälfte der Rauschebärte, Lederjacken und Turnbeutel-Träger ist kaum weniger euphorisch und folgt beherzt den selbstgefälligen Kommandos des Protagonisten. Beide Geschlechter schenken sich hier nichts und verwechseln gleichermaßen auch gerne mal das Konzerterlebnis mit der Digital-Neurose. So viele leuchtende Smartphone-Displays hat der kleine Saal der halle02 wohl länger nicht gesehen.

Wenn ein Konzert zur Sozialstudie nötigt, ist die zwiegespaltene Einstellung zur Show dann auch nur einen Schritt weit von der Bar entfernt. Dem kometenhaften Aufstieg Grennans könnte nämlich eine harte Landung auf dem Boden der Popstar-Eitelkeiten folgen.

In Fred Perry Shirt und Goldkettchen genießt er die Begierde des Publikums, fordert es mit formelhaften Gesten und einer oft recht selbstverliebt wirkenden Performance zum Zuspruch auf, die auch mal in Ansagen wie „Scream my name“ mündet.

Sein inzwischen längst im Mainstream angekommener Cockney-Akzent kann das nicht mehr ausgleichen, weil der nonchalante Charme des British-English schon vor Jahren an The Streets und Kate Nash hängen blieb.

Pop muss sich nicht zwangsläufig verletzlich geben, weder Wut kanalisieren noch politisch Stellung beziehen. Er darf auch einfach nur Spaß machen. Die meisten der Anwesenden werden genau das von diesem Abend erwartet und gefühlt auch bekommen haben.

Nur eben schade, wenn der catchy Blues-Soul-Pop hinter einer Maskerade aus Frontmann-Performance und Band verschwindet, die wie die Söldner-Truppe einer Popmusik-Hochschule aalglatt ihren Job erledigt. Dass das dann trotzdem so gut funktioniert, sollte mehr zu denken, als zu dancen geben – erst recht an einem Montag.

Und nicht, dass wir uns hier falsch verstehen: Grennans Talent ist unbestritten, seine Crooner-Stimme live so präsent und gekonnt wie nur möglich. Dass er ein Händchen für mitreißende Songs hat, beweisen Stücke wie „Found What I’ve Been Looking For“ und das finale „Something In The Water“ nur allzu gut. Entscheidend ist, was er daraus macht.

Im Grunde war ihm eine Karriere als Fussballprofi beschieden. Er hat sich für die Musik entschieden. Ob er aber wahrhafter Künstler oder nur Performance-Marionette sein will, muss sich nach diesem Auftritt noch zeigen. Im März erscheint sein Debüt „Lighting Matches“ – noch hat er es selbst in den Händen.

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