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King Tuff – The Other – Amerikanische Vision

Stimme, Frisur, Stil. Dieser Mann ist kaum zu verwechseln. Und auch wenn man sich in der amerikanischen Eleganz seiner Musik gern das Bild eines rauchenden James Deans vorstellt, der vielleicht eine Substanz zu viel in seine Zigarette gedreht hat und sich jetzt plötzlich in einem funkigen Club wiederfindet, überraschen die langen Haare und die sonstige Erscheinung von King Tuff nicht.

Sonstige Erscheinung? Das heißt hier irgendetwas zwischen Rockstar, Hipster, Nerd und Trucker, mit einem Bass in der Hand über die Route 66 bretternd, die Haare im Wind und mit vulkanischem Gruß Harley-Davidson-Fahrern zuwinkend.

Oh, die Mundharmonika im Mund darf natürlich nicht fehlen, was man schnell feststellt, wenn man anfängt, King Tuffs fünftes Studioalbum “The Other” zu hören.

Schon beim ersten Song “The Other”, dem Titeltrack, der auch vorsichtig den Sound des Albums einleiten soll, merkt man, warum King Tuffs Musik fasziniert. Melodien, die in ihrer Melancholie glatt an amerikanische Singer-Songwriter-Chansons von Tor Miller oder ähnlichen erinnern, gepaart mit Kyle Thomas’ markanter Stimme verwirren etwas, beruhigen aber gleichzeitig.

Wie die Melodie eines Schlafliedes für ein Kind, ein Märchen, beginnt das Album mit einer beängstigenden und faszinierenden Wirkung, versetzt es doch wie ein Deja-Vu in die eigene Vergangenheit zurück.

Knapp an der Übersteuerung schrammend, navigiert der Titeltrack den Hörer an den eigenen Tragödien vorbei und hin zu irgendeinem Sinn, der noch nicht gefunden wurde.

Weniger melancholisch, aber umso interessanter geht das Album weiter. Brütender Bass auf “Raindrop Blue”, Synths, Funk und Disco auf “Psycho Star” und die angekündigte Mundharmonika auf “Infinite Mile” machen es schlichtweg unmöglich, einzuschätzen, womit King Tuff als nächstes auffahren wird.

Mit “Thru The Cracks” liefert King Tuff eine Ballade, die David Bowie-Grandeur versprüht, ohne dabei das kleine ländliche amerikanische Dorf, in dem mehr als ein Bürger noch Cowboystiefel trägt, komplett zu verdecken. Ein Song, ein naiver Blick in den Sternenhimmel.

“Circuits In The Sand” lenkt den Blick auf etwas ganz anderes, und zwar unser Handy. Ein Rundumschlag auf die Zukunft, in der wir leben und den kleinen schwarzen Spiegel in unseren Händen unternimmt Kyle Thomas in diesem Song, der nostalgisch, keineswegs aber tragisch oder beschuldigend klingt und gerade deswegen so authentisch und nachvollziehbar wirkt.

Auf der Suche nach dem Paradies in der futuristischen Technik sei die Kreativität abhanden gekommen, die man braucht, sich selbst ein Paradies zu schaffen. Das erinnert an Father John Misty, wirkt aber zum gleichen Zeitpunkt viel weniger gezwungen, weil King Tuff selbst in seiner Musik vorlebt, was es heißt, kreativ zu sein und Standards nicht zu befolgen, von keinem Algorithmus verstanden zu werden.

Kein Wunder also, dass “The Other” mit mittelalterlichem Zupfen der Harfe und einem psychedelischen Eintritt ins Niemansland endet. Der Abwurf sämtlicher Identität in “No Man’s Land” sollte allerdings niemanden davon abhalten, sich den Namen dieses Individuums genau zu merken. Dass King Tuff sein letztes Album “Black Moon Spell” hier übrigens noch einmal um Welten überbietet, sollte nicht unerwähnt bleiben.

Kyle Thomas, King Tuff, hat das Fenster seines Trucks geschlossen und fährt über den prestigeträchtigen Mulholland Drive dem Ende eines Road-Trips entgegen, der modern klingt und trotzdem den Charme, den Glanz und die Intelligenz eines entarteten Fitzgerald-Romans versprüht.

Aber Halt! Bei geschlossener Schranke muss selbst ein König halten. Was für ein Zug mag sich in diese entlegene Gegend verirrt haben? Tuff Tuff Tuff, die Eisenbahn, wer will mit zu King Tuff fahren? Im Hype-Train ist Platz für jeden.

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