Sie ist der Dunkelheit näher als dem Licht, wie Jenn Walker selbst in einem offenen Brief schreibt. Die Sängerin, Gitarristin und eine Hälfte der Band Wye Oak stammt aus einer Familie, in der einige Mitglieder unter Depressionen leiden. Die US-Amerikanerin entscheidet sich jeden Tag aufs Neue für das Leben und hat diese Erfahrungen auch in das neue Album der Band „The Louder I Call, The Faster It Runs“ einfließen lassen.
Dieses sphärische Gefühl von dem Dazwischen zeichnet die zwölf Songs des Longplayers aus. Einer öffentlichen (Orchester-) Probe gleicht der erste Track „(tuning)“, da wird ein Klavier warm gespielt und werden einzelne Synthie-Soundeffekte geprobt.
„Suffering“, also Leiden, ist das erste Wort, das Jenn Walker auf dem sechsten Album von Wye Oak singt. Dazu stehen der schwebende, gar beschwingte Sound, den Andy Stack, die andere Hälfte der Band, an den Drums und am Keyboard erzeugt, im starken Kontrast.
Der Soundteppich und der Gesang klingen wie ausbalancierter Dream-Pop – wenn da nicht die wimmernde E-Gitarre wäre, die die Harmonien streckenweise torpediert. Zum Ende des Titeltracks wird der Albumtitel mantraartig wiederholt und der Song reisst auf, wie der Himmel nach einem heftigen Gewitter.
„Lifer“ ist ein Lied, in dem Jenn Walker das Thema ihres offenen Briefes vertont. Es gleicht einem Gespräch, in dem sie ihre Krisen und Depressionen benennt, aber auch sagt, dass sie sich für das Leben entschieden hat. Im letzten Drittel des Songs wird einer kreischenden Gitarre Raum gegeben, die die inneren Spannungen akustisch widerspiegelt. „Do You Think Life Could Be Better?“ ist die Frage, mit der „Lifer“ endet.
Auf dem neuen Wye Oak-Werk wird mal spontan der Rhythmus gewechselt oder ein verdrehter Synthie-Loop eingebaut. Man kann die Platte analytisch hören, man kann aber auch einfach nur die Soundlandschaften mit ihrer Weite und den zahlreichen Abzweigungen genießen.
Keiner der Songs ist vorhersehbar, was die neue Platte von Andy Stack und Jenn Walker interessant und hörenswert macht.