Man traut sich ja beinahe gar nicht, etwas Schlechtes über Josiah Wise, der eine Mann hinter dem vielversprechenden Ein-Mann-Projekt serpentwithfeet, zu sagen. Zu euphorisch brandet der mediale Chorus auf, zu groß die Hoffnung auf einen extrovertierten Künstler, der endlich mal nicht mit prätentiöser Exaltiertheit daherkommt oder musikalisch rein gar nichts zu sagen hat.
Diese Hoffnung ist serpentwithfeet. Dieser schwule, schwarze Mann, mit monströsem Nasenring, buntem Bart und den tätowierten Worten „Suicide“ und „Heaven“ auf der Stirn. Diese in einer hochreligiösen Familie aufgewachsenen, eine klassische Gesangsausbildung genossen habende Pop-Epiphanie.
Und doch ist das, was er auf seinem Debütalbum „soil“ von sich gibt, musikalisch, irgendwie: zu redundant. In allem. In dem Style-over-Substance-Narrativ, dem Industrial-Geschepper, den R’n’B-Cloubsounds und den Gospel-Threnodien. In nahezu jedem Song wiederholt sich das eigentlich ja durchaus spannende Spiel.
Die subversive Widersprüchlichkeit der Persona hinter dem Sound verliert sich in abwechslungsarmer, auditiver Anbiederung. Dabei ist es eines dieser Alben, das man gerne uneingeschränkt mögen würde.
Viel fehlt auch nicht – aber in seiner Gesamtheit betrachtet, bleibt der Wunsch nach etwas mehr Abwechslung, etwas mehr Mut zum Experimentellen unerfüllt.
Unerfüllte Wünsche sind dabei passenderweise das zentrale Thema auf „soil“. Ein gleichermaßen wehklagender wie ekstatischer Eros breitet sich aus – Lust an der Lust, divine Devotion, aber auch eine immer mitschwingende Verletzlichkeit. Dabei stets im Zentrum: Seine Stimme – beseelt und soulig.
Gerade zu intim wirkt sein zwischen androgynem Falsett und nachdrücklicher Bestimmtheit vibrierendes Organ. Als stünde er einem direkt gegenüber und schaue einem bei jedem Wort in die Augen.
In „soil“ geht es schließlich auch um Intimität, um Liebe und Sex. Romantisch-verklärtes Mystifizieren des Verliebtseins bzw. Nicht-mehr-Verliebtseins bzw. Noch-Verliebt-aber-nicht-mehr-beieinander-Seins.
Es wird gepredigt („Invoice“) und erinnert bei Zeiten, dank treibendem Rhythmus und einer innewohnenden Doppeldeutigkeit, an ursprüngliche Negro Spirituals („Waft“).
Eine Hand im Schritt, die andere zum Gebet bereit. Sakral und säkular. Verzweigt, sehnsuchtsvoll, sehnsüchtig und ausufernd. Und in seiner flamboyanten Larmoyanz ein wenig anstrengend.
Über den radikal hyper-romantische Tenor auf „Soil“ pervertiert Joasiah Wise Romantik zur Obsession. Leider ohne auflockernde Leichtigkeit oder kathartischem Finish.
„I‘m sure my friends are tired of me talking about you / But it‘s a gift to miss you“, singt serpentwithfeet. Und hat am Ende mit beidem recht.