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BC Camplight – Deportation Blues

Die Leiden des Brian Christinzio, Teil vier. Der Singer/Songwriter Christinzio alias BC Camplight aus New Jersey hat nie ein Geheimnis darum gemacht, dass er so seine Probleme auf diesem Planeten hat. Plattenverträge ohne Verlängerung. Alkohol, Depressionen. Teufelskreis.

Und zuletzt musste er wegen einer Visa-Panne auch noch Manchester verlassen, mit fieser Knieverletzung. Ein unbarmherziger Rausschmiss aus jener Stadt, die ihm seit langer Zeit wieder so etwas wie Hoffnung versprach.

In einem Pub fing der musikalische Neubeginn an, der jetzt wieder eine Zäsur erfuhr. Also erstmal wieder ein paar Runden “PacMan” bei Mama und Papa spielen.

BC Camplight konnte sich wieder einmal bestätigt fühlen: Das Leben kann eine echte Schweinerei sein. Aber anscheinend gibt es da dieses Paradoxon: Je beschissener es Christinzio geht, desto bessere Songs schreibt er.

“Deportation Blues” wagt sich in tiefste Tiefen und bietet kompositorisch das wohl Spannendste, was der Bandleader bis dato so abgeliefert hat. Das ein Comeback zu nennen, wäre aber doch zu euphorisch.

Mittlerweile hat BC Camplight die italienische Staatsbürgerschaft inne und bewegt sich auch wieder im anscheinend noch immer geliebten England. In Liverpool entstand nämlich sein viertes Album “Deportation Blue”, ein Teufelswerk.

In einem fensterlosen Studio schloss sich der akribische Multiinstrumentalist ein und fing an, wieder mal zu musizieren. Zwar nicht immer ganz allein, dafür aber vornehmlich in der Dunkelheit. Möglich, dass der Toningenieur noch heute fiese Träume von den Aufnahmen hat.

Der Abschiebe-Blues dieses gemarterten Musikers klingt surreal, mal furchteinflößend, mal fiebrig und spielt phasenweise sogar in derselben Düsternis-Liga wie Nick Cave.

Gleichzeitig gibt, beziehungsweise geben sich BC Camplight mehr als einmal mächtig verspielt. Allein der Titeltrack klingt wie eine spinnerte Kreuzung aus Freddie Mercury-Gedächtnischor, abgehakten Gitarren und peitschenden Drums, während andere Songs elektronischer geschichtet sind.

“Hell or Pennsylvania” hingegen ist Selbstgespräch zu lauerndem Minimal-Jazz, der im letzten Drittel doch noch die Kurve kriegt und in zackigen Rock´n´Roll umschlägt.

Auch die Hörner im apokalyptisch beginnenden “Am I Dead Now?” tauscht Christinzio ein, hier gegen kauzige Synthesizer und tief gepitchte Stimmen. Davor noch eine reduzierte Piano-Ballade für seinen besten Freund, einen Hund.

Aber es ist nicht allein die musikalische Dramaturgie, die einen staunen machen lässt. Nicht alles an diesen neun Kurzerzählungen ist spannend, aber dieses Album bietet genügend Abgründe, um kurz den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Das liegt daran, dass man in Christinzios tragischer Biographie und dieser so herrlich surrealen Sound-Atmo auch die politischen Niederschläge hineinlesen kann, die uns in den letzten Jahren ereilten. Auch wenn nichts explizit beim Namen genannt wird: Der Brexit, Trump, das leise Gefühl, dass ein Alptraum schneller Realität werden kann als gedacht.

Christinzio hat Letzteres wohl am eigenen Leib erlebt. Dafür steht er mittlerweile aber auch mal über den Dingen und gefällt als croonender, wie auch flüsternder Entertainer, der einmal sogar den eigenen Text gleich mit kommentiert.

Im jazzigen “Midnight Ease” gesteht er etwa ein, es zu hassen, wenn die Musik allzu dramatisch wird, um nur wenig später über ein einsames Herz zu singen. Das fällt Christinzio dann auch selbst auf: “Oh, that was pretty dramatic, yeah, it was, you know, I lie sometimes.” Wie clever und aufrichtig zugleich.

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