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Chefket – Alles Liebe (Nach dem Ende des Kampfes)

Chefket ist scheinbar verliebt. Der Albumtitel, kombiniert mit der Frequenz an Lobliedern auf ein (vielleicht-ja-doch-nicht-)imaginäres Gegenüber, lässt entweder diesen Schluss zu oder weist auf eine leichte Einfallslosigkeit hin.

Zumindest lyrisch. Musikalisch probiert er zwar auch einiges aus, aber am Ende transportiert fast jeder Song den selben Habt-eine-gute-Zeit-aber-denkt-auch-dran-dass nicht-alles-cool-ist-Party-Conscious-Vibe.

Manchmal etwas mehr, manchmal etwas weniger Autotune, hier und da wird der Gospel etwas vehementer gepredigt als an anderer Stelle, generell weniger raplastig und so weiter – aber, das vorgezogene Urteil sei erlaubt, allzu viel bleibt am Ende nicht hängen.

Aber Chefket wäre ja auch nicht Chefket, wenn er nicht mit dem Herz dabei wäre. Denn das ist trotz temporärer Beliebigkeit zweifellos. Das merkt man auch auf „Alles Liebe“. Aber zeitweise wirkt er auch so, wie der vorletzte Song der Platte heißt: „Müde & Rastlos“.

Anfangs steht aber noch das Genießen des guten Lebens im Vordergrund. Oder wie man auf Türkisch sagt: „Gel Keyfim Gel“. An der Seite von Kumpel Marsimoto wird einfach mal zelebriert. Und die gute Laune färbt ab.

Aber die frische Farbe beginnt schon mit dem nächsten Track abzubröckeln. „Aufstehen“ lautet die kapitalistischste aller frühmorgentlichen Aufforderungen und der zweite Song auf „Alles Liebe“. „Wie mach ich nur das, was ich liebe und damit Geld / Ackern für die Kinder oder ackern für sich selbst“.

Auf das Genießen des guten Lebens folgt also der Kater des tatsächlichen Alltags. Zerrissen zwischen Hedonismus und Daseinstrott. Zwischen grün und grau. Zwischen Rausch und Ernüchterung.

Und zwischen Türkei und Deutschland, wie Chefket auf „Fremd“ berichtet. Einem etwas bemühten Zeugnis über seine Zerrissenheit als Deutsch-Türke, die durch die Zeilen „Ich bleibe hier für immer fremd / ich bleibe immer hier“ charmant illustriert wird, doch durch Eko Freshs „Aber“ zuletzt pointierter behandelt wurde.

Die Entwicklung von Rap ging in den letzten Jahren weg vom kompetitiv-neoliberalen Selbstoptimierungstrend hin zu mehr Feeling. Scheiß drauf, wer am schnellsten Bars spittet. Weniger Technik, mehr Gefühl. Mehr Musik.

Auf den Trend, durch aufrichtige Gefühle erzeugte Verletzlichkeit weniger verletzlich zu machen, in dem man das Ganze in ein repetitives Trap-Dada-Gewand steckt und nur peripher mit purem Pop paart, springt Chefket spätestens mit „Alles Klar“ auf.

Und auch „Immer“ („Alles was ich habe / ist alles was ich brauch“) reiht sich in ein ähnliches Schema ein, ist aber ein Song mit mehr Seele. Mit Rap & Soul. Auch, wenn er am Ende dank einer gewissen Simplizität auch nur einen Fingerbreit vom Kitsch entfernt schrammt.

Ein Urteil, das sich irgendwie auch auf das komplette Album übertragen lässt.

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