Molotow. Hamburg. Die Reeperbahn hat nach einem halben Jahr gefühltem Sommer endlich wieder die Temperatur, die sie verdient. Weit unter zwanzig Grad und graublauer Himmel finden den fließenden Übergang in die neonbeleuchtete Dunkelheit einer Nacht in Hamburg.

Klingt kitschig und könnte damit kaum besser zur Band passen, die an diesem Abend im Molotow auftritt. Pale Waves kommen aus England und haben ihr Debütalbum „My Mind Makes Noises“ im Gepäck.

Im Molotow selbst warten besonders viele weibliche Fans auf die Band aus Manchester. Zur Kleiderordnung gehören Dr.Martens und Vans, Nasenringe oder übergroße Brillen.

Der kleine Club ist brechend voll und die vordere der zwei Bars geschlossen. Schade, aber wahrscheinlich sinnvoll, um wenigstens ein paar wenige davon zu überzeugen, dass hinten stehen auch eine Option ist.

Sonst drängt nämlich die große Mehrheit nah an die Bühne, manche setzen sich sogar davor, mit Kopfhörern in den Ohren. Wie lang die wohl schon da sitzen?

Man hofft inständig, dass es noch keine Stunden sind, gerade weil man selbst als pünktlich kommender Besucher direkt neben denen steht, die den Abend zu einer Mission gemacht zu haben scheinen.

Aufwärmen und den Abend einleiten dürfen Easyshapes. Emo- oder Indie-Rock aus Hamburg, der in Momenten stark an The All American Rejects erinnert.

Mit bunten Hemden werden hooklastige Pop-Punk-Hymnen zum besten gegeben, die jeder mindestens beim zweiten Hören mitsingen kann. Für fünf Leute ist die kleine Bühne etwas zu klein und der Sound der Elbstädtler würde sich auf größeren Bühnen auch nicht unwohler fühlen.

Nach Ankündigung des eigenen Debütalbums und der Vorstellung einer neuen Single verabschiedet sich das Quintett dann von der Bühne und in das Publikum. Rauskommen ist eh schwierig.

Bevor Pale Waves die Bühne betreten, huscht ein hektischer Koordinator mehrfach auf die Bühne, um sicherzustellen, dass für alles gesorgt ist. Besonders die kristallblaue Flasche Gin, die von kleinen Tonic-Fläschchen umringt wird, fällt ins Auge.

Das Image einer Band, die sophisticated und trotzdem Pop sein will, wird in der Abwesenheit von Bier noch bestärkt. Wäre ja auch zu normal.

Irgendwann gehen dann die Lichter aus und die Nebelmaschinen an. Stroboskoplicht und atmosphärisches Summen durchbrechen die Stille und Dunkelheit, während aus den ersten Reihen hektische Blicke von Bühne zu Tür huschen.

In der Hoffnung, Frontfrau Heather Baron-Gracie als erstes zu sehen, wird auf Zehenspitzen gestanden. „Jetzt fehlen nur noch die Walgesänge.“ sagt jemand, und fängt daraufhin damit an, solche zu imitieren.

Pale Waves bekommen davon wenig mit, weil sie, ähnlich wie ihre Schirmherren und großen Brüder von The 1975, die Inszenierung völlig leben und erst nach ausgiebiger Geheimniskrämerei in Licht- und Geräuschform die Bühne betreten.

Viel geredet wird dann auch nicht. Die Band scheint sich in der Dunkelheit wohlzufühlen und lässt höchstens mal starke Beleuchtung von hinten zu. Understatement bei der absoluten Ladung Emo-Pop ist Mode.

„Kiss“ und „Eighteen“ zu Beginn des Sets erinnern stark an die eben erwähnten The 1975 und hätten vor ein paar Jahren, als My Chemical Romance, The All American Rejects und Good Charlotte noch im Radio liefen, sicher kein Problem damit gehabt, hohe Chartplatzierungen zu erreichen.

Jetzt ist’s wieder Nische, was Baron-Gracie und Band, besonders aber die Fans, überhaupt nicht zu stören scheint.

Beim Betrachten der Poster an der Wand, auf denen Bands auftauchen, die früher im Molotow aufgetreten sind, hegen die Fans Hoffnungen, am Anfang dabei zu sein. Editors, The Wombats, Vampire Weekend stehen da, die allesamt mittlerweile für größere Hallen gebucht werden.

Pale Waves fehlt dafür, jedenfalls im Set dieses Abends, etwas das Profil. Auf die eingangs erwähnten Opener folgt ein Großteil des Debütalbums, unter anderem „Red“, „One More Time“ und natürlich „There’s A Honey“.

Jedes Lied wird mitgesungen, verschwimmt aber gleichzeitig in der Masse ähnlichartiger Lieder und intertextueller Referenzen.

Pale Waves würden sich auch in größeren Hallen wohlfühlen, würden größere Hallen aller Wahrscheinlichkeit sogar füllen können. Ob sie das ihrem Fankult oder ihrer Musik zu verdanken haben, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

Eine Antwort liefert der Abend jedenfalls: Ja, Emo-Pop funktioniert auch 2018 noch. Da sollte zumindest jeder aufatmen können, der befürchtete, Coming-of-Age-Spielfilme müssten künftig ohne Hymnen dieses Genres auskommen. Glück gehabt!

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