Es ist schon seltsam, welche Streiche einem das menschliche Gehirn spielen kann, was es einem vorgaukeln und gegen jede Vernunft glauben machen kann.
Optische oder auch akustische Täuschungen, wie etwa die berühmte Shepard-Skala, die – obwohl sie sich ständig wiederholt – wie eine unendlich steigende Tonleiter klingt, sind uns vermutlich allen zu genüge bekannt.
Das neue Video zu Maike Zazies „Schweigen“ aus der dieses Jahr erschienenen EP „Fragmente“ führt eindrucksvoll vor, dass auch die Nostalgie ein Phänomen ist, das in diese Kategorie gehört, als emotionale Illusion gewissermaßen. Seht’s euch an, in der MusikBlog Videopremiere.
Die im Clip gezeigten Bilder einer Hochzeitsvorbereitung in einer südländischen, vermutlich italienischen Kleinstadt der 50er Jahre erscheint uns als das vollendete Glück schlechthin. Wir beneiden die scheu lächelnden Protagonisten um die unschuldige Idylle und blenden vollkommen aus, dass auch sie mit an zu Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Probleme hatten, die den unseren in so gar nichts nachstanden.
Gemächlich tragen Frauen in Kittelschürzen Pizzen(?) über ihren Köpfen, bindet sich ein Mann mit aller Sorgfalt seine Krawatte und grinst verschmitzt ein Brautpaar in die Kamera. Alles in schwarz-weiß, sieht es aus als wären die gezeigten Menschen nicht nur vom Lärm ihrer Tätigkeiten entbunden, sondern auch von der drückenden Wucht des grauen Alltagseinerleis, mit dem unsereins zu kämpfen hat.
Ok, es ist davon auszugehen, dass das minimalistisch entwaffnende Klavierspiel von Maike Zazie in „Schweigen“, das die ursprüngliche Tonspur ersetzt, eine nicht zu geringe Mitschuld an der bezaubernden Wirkung des Videos trägt.
Wahrscheinlich würde das an Max Richter erinnernde Piano-Stück selbst Bildern einer Gruppe betrunken in der Schinkenstraße Polonaise tanzender Sauf-Touristen eine heimelig melancholische Wirkung verleihen können, so angenehm wehmütig es durch die Lautsprecher tröpfelt.
Nichtsdestotrotz: Es scheint zu passen, als wäre es für diese Aufnahmen geschrieben worden. Eigentlich aber ganz egal, wieso ein Video funktioniert, solange es funktioniert, und das tut es wohl, wenn man sich am liebsten darin auflösen würde.
Maike Zazie ist am 9. November im FINCAN in Berlin Neukölln mit einer Live-Piano-Performance zu sehen.