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Villagers – Live im Zoom, Frankfurt

Conor J. O’Brien hatte zuletzt für Paul Wellers neuestes Soloalbum getextet. Die Grand Seniors der Rockgeschichte haben schließlich längst Notiz genommen vom poetischen Talent des Iren, der in seiner Heimat schon vor den Villagers mit The Immediate eine große Nummer war.

Spätestens seit dem entzückende Villagers-Debüt „Becoming A Jackel“ interessiert sich auch der Rest der Welt für den Mercury-Prize-Gewinner und seine Band, die er mal alleine, mal im Kollektiv betreibt. Je nachdem, wonach ihm der Sinn steht.

Nachdem er 2016 für „Darling Arithmetic“ alles selbst in die Hand nahm, ist die aktuelle Platte „The Art Of Pretending To Swim“ wieder ein Bandprojekt, für das O’Brien im Studio sechs Musiker um sich scharte – die bis dato größte Villagers-Besetzung. Vier davon sind auch live dabei. Mehr wären auf die Bühne des Frankfurter Zoom allerdings auch kaum drauf gegangen.

Diese wirkt an diesem Abend wie ein Schaukasten durch eine Lochkamera, die für die rein akustischen Nummern gerade genug Platz bietet, für den formvollendeten Indie-Folk, der auf der neuen Platte wieder stärker in Richtung Elektronik ausfranst, aber schlicht einengt.

Die erste Hälfte ist geprägt von der erneut sehr guten aktuellen Platte. Die Songs sitzen. Die besten, wie das beschwingte „A Trick Of The Light“ und der tolle Indietronic-Wurf „Long Time Wating“ ragen angenehm heraus. Die Pointen in O’Briens Texten setzen knackige Akzente: „You tell yourself that you do what you can/ Well what will you do when the shit hits the fan“

Und trotzdem will der Funke nicht zu hundert Prozent überspringen, weil das Zoom restlos ausverkauft ist und viele durch den Pfostenbau kaum etwas sehen können. Der Sound ist einerseits laut, manchmal fast unangenehm.

Andererseits wird die Band in ruhigeren Passagen trotzdem vom Barpersonal und den vielen zwangsläufig um die Bar stehenden Besuchern zerredet. Nach dem Motto: Wenn ich schon nichts sehen kann, dann soll das Drumherum mich hören. Man möchte mit dem Mischer wirklich ungern tauschen.

Manch ein Besucher erweckt den Eindruck, er sei seit Jahren zum ersten Mal wieder auf einem Clubkonzert und müsse die Kamera des neuen Smartphones austesten, mit Blitz natürlich. In einer luftigeren Location hätten sich die unangenehmen Begleiterscheinungen eines Konzerts wohl besser zerstreut als in diesem intimen Rahmen.

Die Villagers sind die letzten, die etwas dafür können. Ganz im Gegenteil: Die Band spielt tadellos. Der Trompeter sorgt ein ums andere Mal für den besonderen Sound, Keyboarderin Mali Llewelyn ergänzt stilsicher die Zweitstimmen.

O’Brien ist bei bester Laune, wirkt so sympathisch wie seine Songs und ist gesanglich in Topform. Auch das höchste Falsett geht im spielend von den Lippen.

Mit den älteren akustischen Nummern, die zum Ende der Show zunehmen, gelingt ihm sogar ein kleines Kunststück. Zunächst setzt es bei der Ankündigung von „Twenty Seven Strangers“ – einem Song des Debüts, den die Villagers länger nicht live gespielt hatten, der aber zweifellos zum Besten zählt, was O’Brien je geschrieben hat – den größte Applaus und dann den Gänsehautmoment des Abends.

Hier ran kommt nur der Schlusspunkt „Nothing Arrived“, bei dem es plötzlich muxmäuschenstill wird, was zwanzig Minuten zuvor noch undenkbar schien. In einer stark reduzierten Version besteht das Stück heute zum Großteil lediglich aus O’Brien, seiner Gitarre und der Poesie:

„I’ve waited for something, but something died, so I’ve waited for nothing, but nothing arrived. Solche Zeilen bannen auch nach Jahren, davor ist selbst ein reiner Hörplatz nicht gefeit.

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