Einfach Songs schreiben reicht schon länger nicht mehr. Die multimediale Inszenierung will on- und offline fast zwangsläufig mitgedacht sein. Dominik Baer beherrscht die Klaviatur der Präsentation mindestens genauso so gut, wie die des Inhaltes.

Seine Release-Show im Heidelberger Karlstorbahnhof verschiebt das Konzerterlebnis dann auch in eine interdisziplinäre Kunst-Veranstaltung, die das intensive, konzeptuelle Schaffen eines ganzen Jahres multisensorisch einfängt.

Für seine neue Platte „Colliding In The Dark“ schrieb der Heidelberger Songwriter zwölf Stücke, die während des zurückliegenden Jahres Monat für Monat mit je einem Gemälde seiner Frau und Malerin Olive Green Anna und einem Musikvideo veröffentlicht wurden.

„12 Songs, 12 Gemälde, 12 Videos“, davon kündet auch der vorab gezeigte Kurzfilm, worin Baer sich und seine Arbeit erklärt. Die Kunstwerke schmücken heute Abend ringsum die Wände und werden jeweils zum entsprechenden Song angestrahlt – weshalb der Konzertsaal ausnahmsweise bestuhlt ist.

Platz ist trotzdem nicht für jeden und die Veranstaltung mehr als ausverkauft. Dass die Gemälde von den Zuspät-Kommern deshalb teilweise verdeckt werden, ist der winzige Makel einer äußerst sympathischen Show, die nicht nur durch die Rahmung aus eben jener fällt.

Außergewöhnlich sind auch die folkloristischen Singer/Songwriter-Nummern, weil sie tradierte Werte überwinden. Die fünfköpfige Band verstärkt Baers fundiertes Gitarrenspiel mit Schlagzeug, Kontrabass und Synthesizern.

Gastmusiker unterstützen zeitweise an Saxofon – wie im jazzig-avantgardistischen „Bright Red Dot“ – oder an der Harfe, wie im puristisch schönen „Fall“, wo Melodien angenehm sachte mit Hörgewohnheiten brechen.

Seine Frau verdingt sich als eine von zwei Zweitstimmen und wird bei den gewitzten Stimmpausen kongenialer Sidekick ihres Mannes, während im Hintergrund die sehenswerten Videos zu den Songs per Beamer an die Leinwand geworfen werden.

Das hat bisweilen Ensemble-Character, der sich auch mal in die Geräuschkulisse der Weltmusik traut und etwa bei „Woven Baskets“ – einem der besten Songs des Albums – weder vor Flöte noch skurrilen Outfits zurückschreckt.

Das ambitionierte Unterfangen dieses Albums samt seiner Live-Umsetzung wiederspricht im Grunde völlig dem DIY-Ethos, dem sich Baer noch immer verpflichtet fühlt. Der leidenschaftliche Schnauzbartträger gesteht aber die eigenen Kapazitätsgrenzen ein und erwähnt: „I often came to the point, where it was better to have things done than to make them perfect.“

Wo genau die Abstriche sein sollen, bleibt völlig offen. Für die nähere Zukunft gibt sich Baer, nicht ganz frei von Ironie, aber trotzdem die Vorgabe: „One year, one song, one video“.

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