Die Heiterkeit ist gewachsen. Im Sachen Pop-Appeal, in der kompositorischen Varianz und in der Anzahl der Bewunderer ihre Kunst. Womit für einen Auftritt in Leipzig nicht mehr der Wohnzimmer-Club Ilses Erika in Frage kommen kann, sondern die geräumigere Halle D im Werk 2. Sollte man meinen.
Warum diese am gestrigen Mittwoch bestenfalls schütter gefüllt war, weiß der Messestädter allein. Die anwesenden Ignoranz-Ignoranten hatten vorab die Gelegenheit, den Darbietungen des Hans Unstern beizuwohnen. Der Boiband-Mitarbeiter, später noch Gast im Zugabenteil des Hauptakts, wirkt mit seiner Harfe und dem zutiefst lyrischen Vortrag wie ein moderner Walther von der Vogelweide, singt von Bonbons aus Plastik, arbeitet an einem Traum und spinnt Haare zu Gold. Dieser queere Minnegesang ist vor allem eines: ergreifend.
Ein paar Stücke Kate Bush und Cat Power aus der Konserve später betritt Stella Sommer und ihr 3-köpfiges Team die Bühne. Wie das Eröffnungs-Stück „Im Fluss“ wird dieses Konzert fließen, wird ähnlich Smetanas „Die Moldau“ mal ruhiger, mal flotter seinem schwelgerisch-schwebenden Keyboard-Bett-Lauf folgen, kaum, wenn dann während „Die Linie Im Sand“ oder „Die Sterne Am Himmel“ durch Stromschnellen aus vorlauten Drums oder harten Tastendruck dauerhaft beschleunigen.
Ernst bleibt die Protagonistin während des Sets beim Wechsel zwischen Mikrofon, Gitarre und E-Piano, und wenn der Kontakt zum Publikum insgesamt bestenfalls aus zwei Dutzend Worten besteht: sie und ihre feinjustierte Crew haben das Auditorium früh im Nebel aus Melancholie und Glückshormonen eingefangen.
Ob Stella Sommers Versunkenheit nun „Die Kälte“ und Distanziertheit ist, die ihr flächendeckend zugeordnet wurden, bleibt spekulativ, eher scheint es Konzentration und Professionalität, mit der sie auch live jene filigranen Momente in die leidliche Akustik einer alten Industrie-Anlage bringt, auf denen die Aura dieser Eigenschaften fußt.
Dass es durchaus genug zu lachen gibt, beweist das mit leichten Pannen durchsiebte „Ein Alter Traum“ und generell der Mann am Bass.
Obwohl sich die Inhalte der Stücke um eine beschauliche Anzahl handelnder Personen drehen, kann eben diese latente Orientierungslosigkeit, die „Dieses Mädchen“ besingt, wohl als Metapher für gesellschaftliches Leben gelten:
DaliahLavis „Oh, Wann Kommst Du“ schießt durch den Kopf und ob der oder die Eine, Weltfrieden oder Völkerverständigung: alles bleibt gleichermaßen willkommen.
Bei den meisten Stücken handelt es sich um das aktuelle Album-Material, gespickt mit Perlen aus der Diskografie. Es gibt „Im Zwiespalt“ und „Schlechte Vibes Im Universum“, mit „Für Den Nächstbesten Dandy“ oder „Hauptquartier“ fehlt nicht der Blick in die Kinderstube des Projektes, mit „The End“ klingt der Abend aus.
Was in den letzten 80 Minuten passiert ist? Stella Sommer und ihre Begleiter haben mit „Pauken Und Trompeten“ dafür gesorgt, dass ihre Melodien treuer Gefährte durch die kalte Frühlingsnacht bleiben und man diese auch darüber hinaus nicht mehr missen möchte.