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Thom Yorke – ANIMA

Es fällt, es hallt, es schimmert. Thom Yorke darf ein drittes Mal der melancholischen Selbstexoerzierung sämtliche Ketten abnehmen und sich ohne das – nicht wirklich strenge – Korsett seiner Band den unschönen Seiten des Lebens auf Albumlänge widmen.

„Anima“ ist dabei aber mehr als nur drittes Album, vielleicht auch weniger. Begleitend zur Veröffentlichung der Platte inszeniert Paul Thomas Anderson nämlich ein überlanges Musikvideo mit Kurzfilmcharakter, das – wie sollte es auch anders sein – bei Netflix veröffentlicht wird. Also: Netflix an, Spotify an, thanks Computer.

Auf „Anima“ selbst geht es yorkiger zu, als man es von „A Moon Shaped Pool“ gewöhnt war. Stattdessen klingt es ein bisschen so wie die handgepickte Playlist, die vor drei Jahren beim weltweiten Release-Event zum neunten Album von Radiohead lief.

Elektronisch, minimalistisch und repetitiv. Fehlerklänge, Bruchstücke und akustischer Sog machen das Hören des Albums zur intensiven Erfahrung. „Twist“, „Not The News“ und „The Axe“ sind da nur Beispiele der zwischen Sinnsuche und Wahnsinnigkeit pendelnden kreativen Schaffenskaft Yorkes.

Die Greifbarkeit wird zum Feind, das Schreiben zur Therapie und „Impossible Knots“ ironischerweise zur strukturellen Auflösung. Aus der jazzhaften Wiederholung heraus öffnet sich das Stück fast zu einer klassischen Ballade, ehe ein ruhiges Ende höhnisch und ehrlich zugleich den Aufbau unterbricht.

Alles an „Anima“ wirkt wie die Metapher einer Depression. Das Cover, auf dem ein einzelner Mensch, seiner Identität beraubt und völlig machtlos in ein unmenschliches, überwältigendes und zermürbend symmetrisches Loch fällt, die Musik, in der sphärische Konfession höchstens noch in der Umklammerung eines stetigen Rhythmus ihre Form behalten darf.

Das Video, das irgendwo zwischen dem zermürbenden Gefängnis des eigenen Geistes, der Absurdität zwanghafter Träume und Black-Mirror-Optik die Reise in der U-Bahn zur kumpelhaften Abfahrt in die dunkle Kohlemine werden lässt, nur ohne Kumpel und ohne Sinn.

All das macht aus „Anima” eben mehr als nur das dritte Album des Sängers einer der erfolgreichsten Bands der Moderne.

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