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Girl Band – The Talkies

Kann man bei Girl Band, ihren irischen Landsleuten Fountains D.C. und Idles aus Bristol schon von einem Post-Punk-Revival sprechen? Oder sind das viel eher die ungemütlichen Geister, die die Insel rief?

Der Opener „Prolix“ spricht für Letzteres: Ein schauderhaftes Intro aus gleichbleibend gehämmertem Klavierakkord und ungleichmäßigen, panischen Atemzügen. Alles kurz vor Shutdown, in den „Going Norway“ noch halbwegs sachlich und „Shoulderblades“ dann so unheimlich einsaugen, dass die Rolle rückwärts zum natürliche Impuls gerät.

Wie war das noch gleich bei den Sleaford Mods? „Graham Coxon looks like a left wing Boris Johnson“ hieß es da vor wenigen Monaten auf „Eton Alive“. Und ein paar Album-Minuten später: „It’s getting shitter!“.

Wie viel beschissener in dieser kurzen Zeit alles geworden ist, lässt sich in direkter Linie am neuen Girl Band Album abhören. Auf das kaputte UK und ihren per Supreme-Court der Gesetzeswidrigkeit bezichtigten Premier prügeln die noch kaputter klingenden Girl Band mit wüstem Noise-Punk ein.

Denn irgendwie hängt Dublin durch die von Brexit-Eskapaden wieder aufflammenden Konflikte an der inner-irischen Grenze doch auch bis zum Hals mit drin in der Scheiße.

Wo die Songs nun die ganze Absurdität einer der ältesten Demokratien der Welt abstrahlen, während diese zum schlechten Witz gerinnt, lässt sich fast überhören, dass die kryptischen Lyrics von Frontmann Dara Kiely vor allem von persönlichem Totalschaden herrühren.

Vor drei Jahren ging seine Beziehung in die Brüche. Seither gab es keine Musik, nur Psychosen und Krankenhausaufenthalte.

Kein Ich und kein Du mehr, dafür ein Personalpronomen-befreites zweites Album, mit Songs wie „Akineton“, – ein Nerven zerfetzendes Bündel Elend, erneute Schnappatmung im darauffolgenden „Amygdala“, samt Würgereiz, oder “Laggard“, das dem Ausbruch des dritten Weltkriegs gleichkommt.

Wohlklang geht anders, Symbolik kaum zielgerichteter. Denn die Geste des Post-Punk klingt hier oft so industriell hallend und menschenfeindlich, wie die avantgardistischen Anfänge der Einstürzenden Neubauten.

Gleich den hässlichen Fratzen reaktionärer Kräfte und ihre ‚Zurück-in-die-Steinzeit-Mentalität‘, die sich in diesem widerborstigen Klang spiegeln – es ist schwer auszuhalten.

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