FKA Twigs setzt nicht länger auf allzu elektronische Ziselierungsprozesse, die den natürlichen Ursprung ihrer Songs auskochen. Rein darf es sein, aber nicht mehr phasenverdreht.

Bereits am Plattencover von „Magdalene“ zeigt sich die Veränderung der Perspektive. Mit Mut zum Makel ist das pastellene Counterfeit von Tahliah Barnett alias FKA Twigs die authentischere Version, im Vergleich zum plastisch geschminkten Gesicht auf der unstrittig superben Platte „LP1“ – ein zukunftsweisendes Album seines Genres, an der sich der Mainstream-R’n‘B noch in etlichen Jahren die Zähne ausbeißen wird, weil außer Autotune davon nichts begriffen wurde.

Heute verhandelt Barnett die Trennung von Schauspieler Robert Pattison, sie hat einen erfolgreichen Kampf gegen Gebärmutterkrebs hinter sich, übt sich im Poledance und hat die Schnauze voll von Autotune.

In einem Interview sagt sie: „Was vor ein paar Jahren als Medium einer musikalischen Befreiung erschien, hat sich in das Zeichen von Zwang verwandelt. Gesang, mit den immer gleichen öden Autotune-Effekten klingt, als ob er in einen elektronischen Käfig gesperrt wurde. Für mich ist das vorbei.“

Wenn es auf der neuen Platte doch mal nötig wird, überlässt sie es ihren Partnern. Das von Skrillex produzierte Duett in „Holy Terrain“ gewährt nur Hip-Hopper Future die Stimmverfremdung. Barnett bleibt bei ihrem natürlichen Timbre.

Auch die Basis der Stücke ist unverfälscht. Sie schreibt die meisten Songs am Klavier und dreht in der Postproduktion vor allem die Instrumentals durch den Effekt-Wolf. „Sad Day“ klingt auf diese Weise nach formidablen CocoRosie.

Überhaupt müsste unter „Magdalene“ bei einer Kaufempfehlung stehen: Für Leute, denen CocoRosie, Ibeyi oder Anohni gefällt. Vorausgesetzt, die Algorithmen der Online-Stores laufen auch nur halbwegs rund.

Was dort garantiert nirgends auftaucht und trotzdem richtig wäre, sind Künstler wie Peter Gabriel oder Kate Bush. „Thousand Eyes“ zum Beispiel ist so ein post-modernes Kate-Bush-Stück, das auch Grimes gut zu Gesicht stünde.

Überhaupt hebt FKA Twigs mit dieser Platte die Weltmusik ein kleines bisschen mehr in den Futurismus hinein, wo Kunst mit Nachhaltigkeit entsteht, die den Wegwerfartikeln für die immergleiche Radio-Rotationen meilenweit überlegen ist. Sie versuchen noch immer „LP1“ zu verstehen.

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