Die Solokarriere von Hayley Williams war für viele schon immer eine Selbstverständlichkeit. Doch die Frontfrau von Paramore ließ sich dafür bisher viel Zeit. Kein Wunder – unterscheidet sich Paramore allein durch Williams Stimme von ähnlichen Bands und entwickelte sich dadurch zum großen Erfolg.
In all den Jahren blieben aber ein paar Fragen offen. Wenn sie eine eigene Solokarriere startet, wie würde diese aussehen? Würde sie ein ausgewachsener Popstar werden? Vorzeichen gab es einige.
Seit 2010 arbeitete Williams regelmäßig mit anderen Künstlern wie B.o.B, Zedd, Chvrches oder New Found Glory, bei der ihr Ex-Ehemann Chad Gilbert Gitarre spielt, zusammen. Dabei kristallisierte sich stets ein trotziger Vorteil heraus:
Hayley Williams würde sich nie der Mainstream-Popindustrie unterwerfen. Sie liebt es, Dinge auf ihre Art und Weise zu meistern. Mit Paramore war dies immer ein Fluch und Segen, doch ihr Debütlbum “Petals For Armor” ist alles andere als gewöhnlicher Pop.
Schon im Februar hatte sich Hayley Williams überraschend dazu entschieden, einen Teil des Albums als EP zu veröffentlichen. Unter den Namen “Petals For Armor I” erschienen die ersten Singles wie “Simmer”, “Leave Me Alone” und das beatlastige “Cinnamon”.
Im April folgten mit ““Petals For Armor II” – einer weiteren 5-Track-EP – die nächsten Songs. Nun folgt der Rest.
Williams Solo-Debüt fühlt sich nicht wie die Arbeit eines ehemaligen Pop-Punkers an und das ist auch gut so. Überraschend ist dies aber nicht, wenn man bedenkt, wie schnell sich Paramore seit dem 2017er „After Laughter“ entwickelt haben.
„Simmer“ eröffnet “Petals For Armor” mit spürbarer Spannung. Es fühlt sich so an, als würde man leise verfolgt, während Hayley Williams Gesang mit düsteren Untertönen einhergeht.
Das Gewand des Tracks trägt ein Gefühl des Mysteriums. Angesichts der Wiederholungen in den Refrains und des begrenzten Umfangs von Hayleys Stimmgewalt macht es überraschend süchtig.
„Leave It Alone“ wird durch distanzierte Gitarren und unheimliche Synth-Swells akzentuiert, die es schaffen, den Song in etwas Bedrohliches zu verwandeln, während „Cinnamon“ etwas optimistischer daher kommt, aber nicht ganz so poppig wie Paramores „After Laughter“.
Hayley Williams verfolgt in weiten Teilen von “Petals For Armor” einen interessanten Ansatz. Sie singt oft in niedrigen Tonlagen, entscheidet sich selten für etwas, das als poppig angesehen werden könnte und strebt nicht danach, ihre Stimme bei jeder Möglichkeit zu präsentieren.
“Dead Horse” oder “Over Yet” fühlen sich trotz ihrer rhythmischen, optimistischen Grooves immer noch geheimnisvoll und ausweichend an – ein direktes Ergebnis von Williams ‚Gesangsstil.
“Petals For Armor” löst sich nicht viel von diesem Schleier aus schattigem, heimlichem Pop, bis „Roses/Lotus/Violet/Iris“. Es ist der Song, der schon beim ersten Hören sofort im Kopf bleibt.
Musikalisch stark an Radioheads “OK Computer” angelehnt, bricht Williams hier erstmals in die höheren Tonlagen aus und lässt all die vorherigen Songs im Regen stehen und wie ein tiefer Nebel wirken.
„Petals For Armor“ mit seinen 15 Songs ist ein vielversprechendes Erstlingswerk für Hayley Williams. Sie hat ihre Klangpalette eindrucksvoll erweitert und verbessert damit hoffentlich nicht nur ihre Solokarriere, sondern auch die von Paramore, anstatt das Schicksal für letztere zu besiegeln.
Was klar ist: Williams scheint aufzublühen, desto mehr sie sich von alten Konventionen entfernt.