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Moses Sumney – græ

Och ja, kann man schon machen. Muss man aber auch nicht. Moses Sumney wird wohl ein neuer Darling der Art-Pop-Szene. Mit ganz viel Willen zur Kunst hat der junge Afroamerikaner sein Zweitwerk zu einem überbordenden Doppelalbum voller Ideen und identity struggles aufgeblasen, das die Klaviatur des künstlerisch Besonderen gekonnt zu leiern weiß.

Verzerrte Gesangsfetzen, unorthodoxe Melodie-Läufe, seltsamer Sing-Sang, der manchmal an Benjamin Clementine erinnert, verschiedenste Instrumente und bloß keinen Hit-Charakter:

Die künstlerische Komplexität stimmt hier bei dem Mann aus North Carolina, dessen Eltern aber – aus Ghana stammend – mit ihm während seiner Kindheit hin und her zwischen Ghana und den USA gependelt zu sein schienen.

Bester Nährboden für eine identitätsproblematische Künstlerseele. Passend zum Impetus wurde „grae“ in zwei Teilen in 2020 veröffentlicht. Das eine vor, das andere nun in der Zeit der Corona-Pandemie.

Der zweite Teil setzt auf jeden Fall die zugänglicheren Schwerpunkte und die nachvollziehbareren Lyrics eines jungen Mannes, der selbstverständlich unter anderem Poetry in Kalifornien studierte.

Mit dem Body und Schlafzimmerblick wird er beim abzusehenden Tour-Support für die nächste Björk-Tournee (eine Post-Corona-Zeit wird kommen, auch wenn man es im Moment nicht wahrhaben mag) die Herzen der Frühkommerinnen spielend leicht brechen.

Aber im Ernst, Moses Sumney bedient alles, wonach das Art-Pop-Genre gerade dürstet, also nach Helden, die das Gegenteil sind von weiß, männlich und hetero.

Den größten Ich-will-Kunst-sein-Preis bekommt dabei das bescheuerte Cover (böse Zungen sagen dazu: Masturbationsvorlage für in die Jahre gekommene Kunstprofessorinnen, die auf schwarze Knackärsche stehen). Nein, wirklich: je länger man es anguckt, desto unfassbar dämlicher wird dieses arty Cover.

Wer aber echten Lyrik-Anspruch mit Musik verbindet, begibt sich in Fahrwasser, in dem man schon sehr passabel segeln können muss. Die Effekte des current state of pop dafür zu nutzen, mag cool und altersgerecht sein.

Ein fast 80-jähriger Robert Zimmermann zeigt gerade erst jüngst mit neuem Output, wo hier nach wie vor der Hammer hängt, aber vor allem auch, wie schwer es ist, Lyrik und Musik zu einer gelungenen Einheit zu verbinden, die nicht Kunst-Kitsch ist, der mehrheitlich Sehnsuchtsinstinkte bedient.

Aber nein: die Referenz in Sachen gekonnter Lyrik-und-Musikverbindung ist natürlich weiß, männlich und hetero und damit der neue Systemfeind.

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