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Daraus gelernt hat man nicht so viel – Protomartyr im Interview

“This ist he dawning of The day without end, when fear steps into light”, verkündet Protomartyr-Sänger Joe Casey im ersten Song (“Day Without End”) des neuen Studioalbums “Ultimate Success Today“. Und ja, man kann dem charismatischen Frontmann in diesen Tagen kaum wiedersprechen. Die Welt steht (wieder einmal) am Abgrund. Dank Corona stapeln sich die Soundtracks für die Apokalypse wieder wie Bausteine im Kinderzimmer. Protomartyr machen da gerne mit, auch wenn der Grundstein für „Ultimate Success Today“ schon lange vor der Corona-Krise gelegt wurde. Mittendrin im Viren-Chaos trafen wir uns mit Joe Casey zum Interview und sprachen über dunkle Tunnel und jazzige Untertöne.

Musikblog: Joe, im Rennen um den Soundtrack-zur-Corona-Krise-Titel wird eurem neuen Album (“Ultimate Success Today”) eine Mitfavoritenrolle zugesprochen. Wie fühlt sich das an?

Joe Casey: Naja, das ist schon etwas komisch, da die Geburtsstunde der neuen Songs ja viel weiter zurückliegt. Ich habe die meisten Texte im letzten Sommer geschrieben, eine Zeit, in der ich viel mit mir und meinen Problemen zu kämpfen hatte. Aber gut, es ist wie es ist. Wir leben schließlich in einer Welt, in der globales Chaos tagtäglich präsent ist. Da rennen wir mit den neuen Songs natürlich offene Türen ein.

MusikBlog: Macht dir irgendwas Hoffnung, dass sich an diesem Zustand bald etwas ändert?

Joe Casey: Ich weiß nicht. Es sieht irgendwie nicht danach aus. Ich wohne, lebe und arbeite in Amerika. Hier hat man schon viele düstere Zeiten erlebt. Aber daraus gelernt hat man nicht so viel. Ich denke da nur an die Zeit nach den 9-11-Terroranschlägen. Nein, um ehrlich zu sein, ich sehe einen langen schwarzen Tunnel. Ein Licht kann ich noch nicht wirklich erkennen.

MusikBlog: Als man dich letztens zu den neuen Songinhalten befragte, hast du gesagt, dass die Dunkelheit des Tages manchmal wesentlich angsteinflößender sein kann als die Dunkelheit in der Nacht. Was genau steckt hinter dieser Aussage?

Joe Casey: Normalerweise dient die spooky Dunkelheit der Nacht ja oft dazu, düstere Themen noch düsterer zu gestalten. Es ist aber doch so, dass uns der meiste Scheiß tagsüber begegnet. Eigentlich ganz offensichtlich. So sehe ich das. Und mehr wollte ich damit auch gar nicht sagen.

MusikBlog: Euer letztes Album “Relatives In Descent” erschien vor drei Jahren. Danach wart ihr unheimlich viel auf Tour. Habt ihr während dieser Zeit schon Ideen für das neue Album gesammelt?

Joe Casey: Wir waren diesmal wirklich lange unterwegs, das stimmt. Und während so einer langen Zeit sammeln sich natürlich auch schon Ideen an. Aber der Grundstein wurde, wie gesagt, im letzten Sommer gelegt. Eigentlich ist man doch als Künstler immer in einem bestimmten Prozess drin. Man produziert ein Album, dann geht man auf Tour. Danach kommt man wieder nach Hause, und alles geht irgendwie wieder von vorne los. Ich verstehe Bands nicht, die sich zwischen den Alben lange Auszeiten nehmen. Das ist mir irgendwie ein Rätsel. (lacht)

MusikBlog: Lass uns über den Sound des neuen Albums reden. Ihr habt diesmal viel experimentiert. Zwischen euren Trademarks hört man jazzige Passagen heraus. Wie kam es dazu?

Joe Casey: Die Erweiterung unseres Sound-Spektrums hatte mehrere Gründe. Zum Einen wollte Greg (Greg Ahee, Gitarrist) nicht mehr “nur” mit verschiedenen Pedals experimentieren, sondern einen noch größeren Schritt gehen. Dann war da noch unser Produzent David Tolomei (John Cale, Dirty Projectors, Lower Dens, Girlpool), der ebenfalls das Verlangen verspürte, den Songs eine ganz bestimmte Wall of Sound zur Seite zu stellen.

Wir haben das Album dann in den Dreamland Studios in New York aufgenommen. Das Studio befindet sich in einer Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Das war in punkto Sound schon eine neue Erfahrung für uns. Und dann kamen noch all die Jazzer dazu (Jemeel Moondoc, Izaak Mills, Fred Lonberg-Holm), die das Ganze noch einmal in eine andere Richtung gelenkt haben.

MusikBlog: Tom soll ja über ein dickes Kontaktbuch verfügen.

Joe Casey: Auf jeden Fall. Tom hat einfach unheimlich viele Kontakte. Er hat am Ende des Tages die meisten Verbindungen zu den Leuten hergestellt, die neben uns auf der Platte zu hören sind. Das war dann irgendwie ein großes neues Miteinander. Wir waren unheimlich offen und haben den Musikern viel Freiraum für ihre eigenen Ideen gegeben. Das war schon eine tolle Erfahrung.

MusikBlog: Vom Gipfel der Euphorie des gemeinsamen Schaffens fallt ihr nun in ein dröges Tal, in dem das große Nichtstun regiert. Wie behält man da die gute Laune?

Joe Casey: Nun, jetzt kommt ja erstmal das Album raus. Das ist ja schon mal was. Danach muss man den Tatsachen einfach in die Augen sehen. Und die verheißen nichts Gutes. Wir kämpfen mit einer globalen Pandemie. Alle Shows wurden gecancelt, und ich sehe, wie ich zu Beginn ja auch schon sagte, leider noch kein Licht am Ende dieses Tunnels.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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