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Oscar Scheller – Boys Cry

Wer es anhand des Titels noch nicht ahnen mag, Oscar Scheller hält nicht viel von toxischer Männlichkeit. Auch seine neue Scheibe “Boys Cry” ist ein albumgewordener Appell an jede*n, die eigenen Gefühle und Sorgen nicht durch gesellschaftliche Rollenbilder dorthin drängen zu lassen, wo sie mutieren und zur lebenslangen psychologischen Belastung werden können.

Stattdessen fordert der Londoner die kompromisslose Ehrlichkeit und steht zur Verletzlichkeit. In melancholisch entfesselter Manier spielt Oscar Scheller eine Gefühlspalette an, die weit weg ist von Glorifizierung oder Verdrängung.

Was andere Popkünstler und Gruppen wie Brockhampton, Eden und Frank Ocean groß gemacht hat – die Lossagung vom Genre und der betäubenden Euphorie – lebt auch Oscar Scheller in seiner Musik.

Und dabei klingt das ganze auf “Boys Cry” auch noch nach ehrlicher Popmusik, die irgendwo zwischen Retrokitsch und Postmoderne ihren Ton gefunden hat. Das Album zeichnet nicht nur die gefühlvolle Mischung aus Synths und Beats aus, sondern auch die subtile Emotionalität, die in den Texten mitschwingt.

Ob Scheller in “Half Eaten” über seinen Handschlag mit dem Nihilismus singt, nach dem er sich die Hände waschen musste, oder sich in “Boys Cry” mit dem Stolz junger Männer auseinandersetzt, die sich nicht trauen, ihre Tränen in die Öffentlichkeit zu tragen:

Der junge Künstler geht die Themen mit einer Sensibilität und offenkundig persönlichem Bezug an, dass man ihm selbst die monotone Stimmlage verzeiht, in welcher er seine Klagen bekundet.

Pathos und Selbstmitleid, Dinge, die junge Männer des öfteren unausstehlich machen, sucht man bei Oscar Scheller vergeblich. Klar, ohne Inszenierung kommt auch der Brite nicht aus, aber welcher Künstler tut das schon?

“Boys Cry” vermengt einen reflektierten Slacker-Attitude mit einer Verhandlung des Selbst und ist das Coming-of-Age-Pop-Album, das so sehr nach dem 21. Jahrhundert klingt und trotzdem noch Sorgen und Ängste artikuliert, die sicher nicht an irgendein Geschlecht gebunden sind.

Jungs weinen, alle weinen.

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