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José González – Live im Carlswerk Victoria, Köln

“Ist das die Schlange für José Gonzáles?” Diese Frage dürfte am gestrigen Samstagabend im Kölner Norden öfter als einmal gestellt worden sein. Denn nicht um eine, nicht um zwei, sondern gleich um drei Ecken winden sich die Hunderte von Wartenden, so dass der Eingang des Carlwerk Victoria nicht nur für die Letzten längst nicht mehr in Sichtweite ist.

Die Vermutung, die Veranstalter würden den Beginn des Support-Acts Siv Jakobsen deswegen sicher nach hinten schieben, bewahrheitet sich nicht. Pünktlich um halb Neun lässt die Norwegerin die letzten Töne ihres melancholischen Singer/Songwriter-Pops verhallen und lädt zum Plaudern an den Merchstand ein.

Weniger in Plauderlaune zeigt sich José Gonzáles. Doch das mit gutem Grund. Während der kleine Verspieler während des Openers „With The Ink Of A Ghost“ den meisten sowieso entgangen sein dürfte, liefert der Singer/Songwriter für alle Aufmerksamen noch vor dem zweiten Song des Sets eine mögliche Erklärung:

„Die Chancen standen 50 zu 50, dass ich heute Abend absage. Ich habe starke Halsschmerzen. Aber ich war beim Arzt und er hat mir ein bisschen Zeug gegeben“, erläutert er lachend und wird von Seiten des Publikums für diese Entscheidung mit lautem Johlen und ausgiebigem Klatschen belohnt.

Bei seiner sympathischen Art und dem filigranen Gitarrenspiel stört es wenig, dass besonders bei den leiseren Songs immer wieder auffällt, dass Gonzáles stimmlich angeschlagen ist. So setzt er zwar zum ersten Ton von „Crosses“ an, besagtes „Don’t you“ bleibt ihm aber leider im Hals stecken, was er selbst mit einem deprimierten Kopfschütteln quittiert, sich aber nicht aus der Ruhe bringen lässt, sondern tapfer weitersingt.

Die folgende Gitarrenlinie ist unverkennbar und wird aus dem Publikum mit lauten Rufen bejubelt, woraufhin Gonzales zu „Heartbeats“ prompt fordert: „Wenn ihr die Lyrics kennt, dann singt doch bitte mit. Meine Stimme gibt langsam den Geist auf“.

Kurze Zeit später scheint es dann so weit zu sein: „Ich brauche eine kurze Pause, ich bin gleich wieder da“, verabschiedet er sich. Trotzdem lässt er es sich nicht nehmen, nach einigen Minuten wieder die Bühne zu betreten und mit „The Void“, „Horizons“, „Head On“ und „Lasso In“ ein ganzes Paket an Songs seines aktuellen Albums „Local Valley” zu performen. Letzteres kündigt er als Song über Meditation an und lässt sich bei seinen zarten Gitarrenklängen von unaufdringlichen Beats vom Band begleiten.

Die folgende Ansage „Das ist mein letzter Song. Bitte singt bei diesem Beatles-Song gerne mit“, wird mit einem enthusiastischen Schrei aus dem Publikum bejaht, woraufhin Gonzáles feststellt „Danke, genau das habe ich gebraucht“.

Vielleicht es ist diese Euphorie, aus der der Schwede die Kraft zieht, trotz schwindender Stimme sogar noch für eine Zugabe wieder auf die Bühne zu kommen. „Ich überlege gerade, welchen Song ich spielen kann, um meiner Stimme nicht noch mehr zu schaden. Ich versuche es mit Nick Drake, ich kann einfach eine Oktave tiefer singen“, kündigt er „Cello Song“ an, bevor er mit „Killing For Love“ nochmal alles gibt.

Mit pointiertem Fußstampfen, das er den ganzen Abend als Rhythmusinstrument nutzt, lässt Gonzales den eigentlichen Dreiminüter zu einem ausgiebigen Jam expandieren und beweist einmal mehr seine unglaublichen Fähigkeiten an der Gitarre.

Das Publikum ist sich anschließend einig. Gonzáles hat die richtige Entscheidung getroffen. Denn, wer sich bei solcher Tapferkeit auf die wenigen Töne fokussiert, die vielleicht nicht hundertprozentig gesessen haben, dem hilft auch keine Jacke mehr gegen die eigene Kälte.

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