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The War On Drugs – Live im Schlachthof, Wiesbaden

„I know you’re not from Wiesbaden“! Adam Granduciel kauzt in sein Mikrofon und zeigt mit dem Finger auf einen Gast in der ersten Reihe. „I’ve seen you in New York, and many other places.“

Der Ertappte goutiert die Aufmerksamkeit mit einem freundlichen Grinsen, während Granduciel den Joke nach Hause bringt. „He’s my biggest fan, right after my father.“

Der Kopf hinter The War On Drugs zeigt sich bei der drittletzten Show einer ausgiebigen Europatournee in bester Plauderlaune und kommuniziert mehr mit dem Publikum, als es der ausufernde Indie-Rock seiner Band eigentlich verlangen würde.

Nicht immer wird dabei alles verständlich, was der langhaarige Gitarrenvirtuose und Effektpedal-Fetischist in den gut gefüllten Wiesbadener Schlachthof hineinnuschelt. Manches bleibt so verwaschen wie der Sound. Die hohe Decke des Schlachthof lässt die ohnehin hallgetränkte, siebenköpfige Band flirren und gelegentlich überschlagen.

Das ist meistens weniger dramatisch als es sich liest, denn wenn Granduciel im Überraschungssong „Dissapearing“ zur Mundharmonika greift wie sein großes Idol Bob Dylan, dann braucht das Instrument auch nicht zwingend Kontur, um alles zu übertönen.

Und dennoch ist es überraschend, dass die hervorragende Supportband Lo Moon aus Los Angeles den besseren Sound genießt als der Hauptact. „ I will cry myself to sleep when this tour is over“, macht deren Frontmann Matthew Lowell auch keinerlei Hehl um seine Heldenverehrung – speziell für Adam Granduciel.

Der Geschmeichelte wiederum spielt Mundharmonika mit derselben Inbrunst wie seine zahllosen Gitarren, die er für nahezu jedes Stück austauscht und von fleißigen Roadies im Eiltempo herbei tragen lässt.

Er ist das gravitative Zentrum einer Bühne, die sich kaum bewegt. Die Lichtshow ist penibel darauf bedacht, die Band maximal kniehoch anzuleuchten, der Bewegungsradius außerhalb von Granduciels Mittelkreis ist gleich null.

Deshalb ist der einzige Blickfang abseits des Sängers der in zweiter Reihe erhöht sitzende Schlagzeuger Charlie Hall, der stoisch jeden Takt hält, Song für Song, Snareschlag für Snareschlag, als wären Fill-Ins was für Loser mit Minderwertigkeitskomplexen.

Kein Wunder, dass Grandcuiel ihn bei der Vorstellung seiner Band zuletzt erwähnt und ihm seitens des Publikum die größte Begeisterung zu Teil wird, während sich im Hintergrund „Under The Pressure“ einrauscht.

Die großen Songs vom größten The-War-On-Drugs-Album „Lost In The Dream“ sind auch live das Maß aller Dinge, wenngleich gut die Hälfte des Sets von der aktuellen Platte „I Don’t Live Here Anymore“ stammt.

Und es scheint fast, als hätte sich die Band damit etwas in der Zeit verkalkuliert. Um 23:00 Uhr muss Schluss sein, weshalb nach über zwei Stunden Spielzeit und 16 Songs kein Raum für Zugaben und keinen einzigen „Slave-Ambient“-Song bleibt. Wo bei anderen Show mindestens noch „Lost In The Dream“ folgte, schleichen die ersten Besucher zum leisen Abschiedssong „Thinking Of A Place“ aus dem Schlachthof.

Für nicht wenige ist es das erste Konzert seit dem harten Corona-Lockdown der Musikbranche, für The War On Drugs auf absehbare Zeit eines ihrer letzten.

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