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Oliver Sim – Hideous Bastard

Bei Textzeilen wie „I’m ugly, I’m up and down right now, I’m down and bloody“ möchte man vermuten, dass bei Oliver Sim, das eigene Selbstbild wohl nicht ausreichend vorhanden ist. In der heutigen Zeit, reich an Distraktionen und von Social Media befeuerten Idealen, ist es auch schwierig, sein Selbst im Spiegel zu erkennen.

Oliver Sim ist Bassist von The xx und lebt in einer queeren Welt. Dass er HIV hat, machte er kürzlich publik und verarbeitet es auf dem Titeltrack seines ersten Soloalbums „Hideous“. Von eben jenem Song stammen auch obige Textzeilen, die Sim mit „But I don’t feel as though I’ve been unlucky, I have people in my life that really love me“ zu neutralisieren vermag.

Der streicherbegleitete Opener umgarnt Sims croonende Stimmlage, die emotional ins Timbre abgleitet. Nach Jimmy Somervilles Gast-Falsetteinlage, ergreift Sim die Gelegenheit zu einem radikalen Geständnis:

„Radical honesty – Might set me free – If it makes me hideous -Been living with HIV – Since seventeen“. Damit beweist er Mut, zeigt aber auch, welche Stärke es erfordert, mit HIV zu leben.

Locker schäkernd trollt sich „Romance With A Memory“ – vom Klavier untermalt und pluckernde Beats ausgrabend – um effektverstärkte Stimmen.

Ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit mäandert „Sensitive Child“ mit psychedelischem Flow. Energisch lallend lässt Oliver Sim sein Gesangsorgan durchs Sixties-Klanggebälk scheppern, findet fiepende, blubbernde Beats auf „Never Here“ und kratzt an der Melodramatik mit düsterem Gitarrenwerk.

Die elektronischen Töne fließen langsam aber stetig ins Werk ein. Zum Beispiel beim „Unreliable Narrator“, das harmonisch vom Piano begleitete „Confident Man“, das einen stimmigen Spannungsbogen bietet oder das schwerfällige oder das sich spät öffnende „Fruit“.

Ob die Drummachine taktet oder sphärische Synthesizereffekte, Oliver Sim lässt seine Stimme stets unangetastet im Aufmerksamkeitsbereich des Hörers verweilen.

Ganz großes Kino ist das bei „Saccharine“, das klanglich wogend die Stimme predigend in den Mittelpunkt rückt, oder bei „GMT“. Der in Australien aufgenommene Song, versteht sich als Hommage an Sims Heimat London.

Keine Ahnung, ob schon jemals eine Zeitzone besungen wurde, aber der Refrain über die Greenwich Mean Time (GMT), lässt dieses Versäumnis schnell vergessen. Hymnisch befeuert vom Heimweh, erhebt Sim seine helle Stimme, getragen vom harmonischen, akustischen Hintergrund.

Auf „Hideous“ zeigt Oliver Sim, dass er die kreative Schaffenspause von The xx genutzt hat, um ein facettenreiches, dennoch stimmiges Debütalbum vorzulegen.

Seine Stimme begeistert und ist stets wichtigstes Element in seinem Schaffen. So schafft „Hideous“ letztendlich ein sehr vielseitiges Selbstbild von Oliver Sim, in welchem wir uns alle auch ein Stück weit wiedererkennen können.

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