Seit seinem letzten Album „Diese eine Stelle“ hatte Albrecht Schrader umstandsbedingt viel Zeit zum Schreiben. 25 Titel sollen während 2020 und 2021 entstanden sein. Zehn davon – denn es seien immer zehn Songs bei ihm – haben es letzten Endes auf „Soft“ geschafft und stehen damit (un)sinnbildlich für teilnahmslosen Pathos und fulminante Banalität.

Der Komponist, Musiker und ehemalige Leiter des Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld sagt selbst, „Soft“ sei „ein Album über die Möglichkeit und Unmöglichkeit der human connection und den Umgang damit“. Es ist das erste Album, welches der Hanseat vollkommen eigenständig produziert hat und es ist vollgepackt mit reduzierten, aber wohl arrangierten Pop-Perlen.

Gewissenhaft wie ein Buchhalter mäandert der achselzuckende Humor von Schrader, dem Albrechtigen, mit seinen vermeintlich nichtssagenden Texten durch eine Vielfalt an Musikgenres.

Vertraute Klavierklänge aller erinnernswerten Radiohits der 80er Jahre dominieren im repetitiven „Frederike“ und in der sommerlich klingenden Ode an die Strickjacke „Cardigan Of Love“. Kratzige Textzeilen wie „Sauber gewobenes Textil, wärmende Farben, ewiger Stil“ müssen hier erst einmal radiotauglich weichgespült werden.

Die einlullenden Balladen auf der Platte indoktrinieren das Hirn mit verschiedenen Formen der Selbsterkenntnis. So frotzelt die wöchentliche Psychotherapiestunde in „Donnerstags 8 bis 9“ mit der ausbleibenden Erleuchtung auf der Couch. Ganz generell geizt Albrecht Schrader nicht mit der Aussparung von Konkretem.

Sprachmemos und Bluetooth-Kopfhörer stehen währenddessen im nächtlichen „Du wunderst Dich über den Zeitpunkt“ für Erschöpfung und Abhängigkeit in Zeiten der digitalen Dauerbeschallung. Und das Musikvideo zum apathischen „Für Dich bleibe ich ein Mann“ mit Cello und Laubbläser ist die wohl romantischste Hornbach-Werbung aller Zeiten.

In „So weird so gut“ proklam(ent)iert Albrecht Schrader zwar „so anders, so seltsam“, bietet mit dem hibbeligen Disco-Pop-Sound und der befremdlichen Choreografie im Musikvideo dennoch einen erstaunlich hohen Wiedererkennungswert. Denn diese nerdige Nische ist längst keine mehr.

„Jeden Tag ein bisschen“ hinterfragt und erfindet und betrachtet und überwindet Stück für Stück, bleibt auch hier mal wieder herrlich vage und avanciert über fünf Minuten zu einer exaltierten Indie-Pop-Hymne.

Es braucht schon ein Faible, um nicht zu sagen einen „soft spot“, für die lyrisch-ironischen Belanglosigkeiten, um den (Schr)Aderlass auf „Soft“ verstehen und lieben zu können. Andernfalls stimmt man ungewollt mit dem Schlusssong „Hey Adapter“ mit ein: „Wo ist die Verbindung? Gib mir die Verbindung!“

Der Humor auf „Soft“ ist anders – und doch eingängig genug, um dem Weltbild einer ganzen Subkultur entsprechen zu können. Albrechts „Schradaismus“ parodiert auf verschrobene und multiinstrumentale Art und Weise die konventionelle Popmusik.

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