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Dann sind diese beiden Welten plötzlich miteinander verschmolzen – Sarah McCoy im Interview

Einst zog Sarah McCoy als rastlose Straßenmusikerin durch die Viertel von New Orleans. Heute wird die US-amerikanische Songwriterin mit der markanten Stimmfarbe von Hochkarätern wie Jarvis Cocker und Chilly Gonzales auf Händen getragen. Nach ihrem beeindruckenden Debütalbum aus dem Jahr 2019 lässt Sarah McCoy nun endlich ihr Zweitwerk “High Priestess” folgen. Kurz vor der Veröffentlichung des neuen Studioschaffens trafen wir uns mit Sarah McCoy Zum Interview und sprachen über den Aufbruch in neue Soundwelten, Heilungsprozesse und Alanis Morissette.

MusikBlog: Sarah, du hast dir für dein zweites Studioalbum knapp vier Jahre Zeit gelassen. Gab es einen bestimmten Moment, in dem dir bewusst wurde, dass es an der Zeit war, wieder kreativ tätig zu werden?

Sarah McCoy: Die letzten Jahre waren sehr intensiv für mich. Das hatte natürlich auch mit der Pandemie zu tun. Aber es sind auch so viele Dinge in meinem Leben passiert, die mich beschäftigt haben. Nach der Veröffentlichung von “Blood Siren” hatte ich ein paar private Dinge, die ich in Ordnung bringen musste. Ich war auch in Therapie. Irgendwann habe ich mit dem Malen angefangen. Und eines Tages kam auch die Musik wieder dazu. Das war irgendwie alles ein Prozess. Ich habe mir ein paar elektronische Sound-Hilfsmittel besorgt. So bin ich von ein bisschen von meinen klassischen Klangstrukturen abgerückt, was sehr spannend für mich war.

MusikBlog: Wie spannend genau?

Sarah McCoy: (lacht) Für mich war das wirklich eine sehr aufregende Zeit, weil ich mich lange Zeit auch so gefühlt habe, als gäbe es für mich gar keinen Weg hinein in diese Soundwelt. Ich komme ja eher aus den Bereichen Blues, Soul und Jazz. So bin ich aufgewachsen und so habe ich auch gelernt, Musik zu machen. Für mich gab es lange Zeit zwei verschiedene Welten. Da war die Musik, die ich selber machte und da war die Musik, die ich gerne gehört habe und auch immer noch gerne höre. Als ich mir dann ein paar Soundhilfen besorgt habe und angefangen habe, damit zu experimentieren, sind diese beiden Welten plötzlich miteinander verschmolzen. Das war ein unheimlich tolles und auch befreiendes Gefühl.

MusikBlog: Gab es bestimmte Songs oder Bands, die dich während dieser musikalischen Entdeckungsreise inspirationstechnisch begleitet haben?

Sarah McCoy: Eigentlich höre ich permanent Musik. Während dieser Zeit war aber die Stille ein treuer Begleiter. Ich war sehr auf mich und meine neu entdeckte Soundwelt fokussiert. Wenn, dann habe ich zwischendurch mal ein bisschen Dance oder Pop gehört – so richtig beeinflusst haben mich aber keine Sounds von außen. Die meiste Zeit war ich vom Gefühl und auch vom Kopf her bei mir und meiner Musik.

MusikBlog: Neben der Musik beeindruckst du auch mit sehr persönlichen und emotionalen Texten.

Sarah McCoy: Nun, es gibt so viele Themen, die mich beschäftigen. Die meisten drehen sich natürlich um mein Leben, meine Erfahrungen und meine Gefühle. Ich habe mein ganzes Leben immer mal wieder mit mentalen Problemen zu kämpfen. Manchmal gibt es einfach sehr, sehr schlechte Tage, so wie ich es in dem Song “Sometimes You Lose” beschreibe. Natürlich spielt die Liebe eine große Rolle. Aber es geht auch um Zerrissenheit und Unsicherheit. Am Ende ist da aber auch immer ein Funke der Hoffnung. Das versuche ich mitzunehmen. Manchmal geht es bei manischen Depressionen auch darum, ein Ventil zu finden und sich vorzustellen, dass das Herz irgendwann doch noch auf Flügeln durchs  Leben getragen wird.

MusikBlog: Du hast auch diesmal wieder mit Chilly Gonzales und Renaud Letang zusammengearbeitet. Was ist das Besondere an eurer Beziehung?

Sarah McCoy: Ich weiß nicht, was sie an mir so toll finden. Aber ich finde, dass sie beide unheimlich talentierte Musiker sind. Chilly ist ein begnadeter Songwriter, der mich immer antreibt und unterstützt. Er hat ein ganz besonderes Gespür für Musik. Renaud tickt da ganz ähnlich. Ich denke, wir haben schon während der Aufnahmen für das erste Album eine ganz besondere Chemie miteinander entwickelt. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich gegen irgendein Ego ankämpfen musste. Ich hatte alle Freiheiten und konnte sagen und machen, wonach mir gerade der Sinn stand. Diese Freiheit ist unheimlich wichtig, wenn es um kreative Prozesse geht.

MusikBlog: Habt ihr diesmal produktionstechnisch Dinge anders gemacht?

Sarah McCoy: Ja, wir haben komplett anders aufgenommen. Bei “Blood Siren” hatten wir ein Gesangsmikrofon und ein Mikrofon für das Piano. Wir haben alles nahezu live aufgenommen. So bekommt man natürlich sehr spezielle Emotionen. Aber man hat auch das Problem, dass man nicht mehr viel im Nachhinein hinzufügen oder korrigieren kann. Diesmal haben wir fast ausschließlich mit isolierten Spuren gearbeitet, so dass wir am Ende stets die besten Parts auswählen konnten.

MusikBlog: Würdest du den Prozess des Schreibens als den wertvollsten Teil im großen Ganzen bezeichnen?

Sarah McCoy: Ja, ich denke schon. Wenn etwas Emotionales aus dem Nichts entsteht, dann kann das eine heilende Wirkung entfalten. Das ist ein ganz wertvoller und großartiger Prozess.

MusikBlog: Du hast eine unheimlich markante Stimme und auch eine sehr außergewöhnliche Ausstrahlung und Präsenz. Gab es früher eine Sängerin oder einen Sänger, die oder der dich besonders  gefesselt und inspiriert hat?

Sarah McCoy: Oh, als Alanis Morissette mit “Jagged Little Pill” um die Ecke kam, war es augenblicklich um mich geschehen. Wegen ihr trage ich lange Haare. (lacht) Sie war meine absolute Heldin. Für mich war sie einfach das schönste Wesen auf der Welt. Und dann war da auch noch diese wunderbare Musik… einfach traumhaft.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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