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The Murder Capital – Gigi’s Recovery

The Murder Capital veröffentlichen mit „Gigi’s Recovery“ ihren lang ersehnten zweiten Langspieler. Das fantastische Debütalbum „When I Have Fears“ des Quintetts kam kurz vor der Apokalypse düster und mit einer dunklen Vorahnung auf eine schwierige Zeit auf den Markt.

Die Band schien als Vorreiter der UK & Irland Post-Punk-Welle in schummrigen Scheinwerferlichtern zu strahlen. Intelligenter als shame, melancholischer als Fontaines D.C. und zugleich zugänglicher als Black Midi. Doch nach einer kleinen Tour durch Europa kamen nur noch vereinzelte (nicht minder großartige) BBC-Takes und Instagram Videos aus dem Urlaub auf Hydra.

Entgegen der Entwicklung der anderen genannten Hype-Bands wurde es um die damals vermutlich kurzzeitig beste Band der Welt still. Während Fontaines D.C. mittlerweile Massen vor die Festivalbühnen lockten, posteten The Murder Capital Prosa aus eigener Hand aus der Mordhauptstadt Europas.

Das mag zwar an James Joyce erinnern, doch wünschte man sich, dass die Band um James McGovern doch bitte, bitte ein eigenes zweites „Dubliners“ hervorbringen würden: aus dem Untergrund, von den Leuten, für die Herzen. Doch ein erster Wurf wurde von der Band selbst als zu deprimierend erklärt und man setzte sich für ein halbes Jahr nach London ab. Daraus entstand “Gigi’s Recovery”.

Mit grandiosem Social-Media-Taram und dem Zeitgeist entsprechend wurden lange vor dem eigentlichen Album-Release Singles veröffentlicht. Obwohl auf „Gigi’s Recovery“ die Auskopplungen prägnant herausstechen, funktioniert das Album auch als Gesamtwerk gut.

Es handelt sich um ein Konzeptalbum, das mit dem eindrücklichen Intro „Existence“ startet, in dem McGoverns Stimme derart zittert, dass es einem kalt den Rücken runterläuft.

Der zweite Song „Crying“ mit den treibenden Drums gespielt von Diarmuid Brennan überzeugt mit dem unverkennbar malerischen Sound der Band. Wenn man weint, beginnt es meist ganz leise und endet in einem nie zuvor erlebten Gewitter. „Crying“ macht genau das mit einer eindrücklichen Wucht.

„Only Good Things“ ist ein lockerer Indie-Lovesong, der einigermaßen leichtmütig daherkommt. „Blindly I share with you my whole world”, singt McGovern unverkennbar. Man wünscht sich, an einem freien Wochentag mit ihm im Phoenix Park zu liegen und einem die Welt versprechen zu lassen: „Jewels on the signs/of streets with your name/that I’ve seen before“.

Die zweite Single „A Thousand Lives“ mutet schon etwas weniger hoffnungsvoll an. Ein paar Trip-Hop-Beats und McGoverns durchdringende Baritonstimme erzählen von einer Liebe, die vielleicht doch nicht so rund läuft, wie wir es uns aus unseren Träumen wünschen.

Eine Beziehung, die mit dem dritten Release „Ethel“ an einem Ort ihren Höhepunkt erreicht, an dem noch so manche Beziehung gescheitert ist: der Traum einer geplanten Zukunft. Während die eine Partei die Stufen zur Kneipe zählt, malt sich die andere aus, wie eine allfällige gemeinsame Tochter heißen könnte.

In „Ethel“ blühen die Dubliner musikalisch auf. Begleitet von Damien Tuits Gitarre, erzählt McGovern von einer Beziehung im Gegenschritt und spielt den Soundtrack dazu: immer leicht neben dem Beat, doch authentisch immer dort, wo er eben gerade ist.

Die letzte Auskopplung „Return My Head“ räumt dann mit der gescheiterten Beziehung auf. „I had to realise/to begin to survive“: eine Phrase, die einem in düsteren Momenten noch so unmöglich erscheint, doch wenn man es erst aus dem unüberwindbaren Tal der Tränen heraus geschafft hat, umso mehr Sinn ergibt.

„This one’s a banger“, meinte die Band auf Social Media zu ihrem letzten Single-Release – kein falsches Versprechen. Zu keinem anderen Song möchte man wieder zu sich kommen, wenn man eine gefühlte Ewigkeit neben den Schuhen stand und gemeinsam mit seinen besten Freunden zwei nacheinander gerauchte Zigaretten mit vier Kurzen runterspülte.

„The Stars Will Leave Their Stage” klingt daneben fast wie eine Demo und das könnte das einzige das Problem von „Gigi’s Recovery“ zu sein. Irgendetwas fehlt und das ist der letzte Schliff. Obwohl sämtliche Songs ihre Momente haben, fragt man sich mit der Zeit, ob man das nicht noch hätte besser machen können.

Man mag es den Iren aber verzeihen, denn man wartet jedes Mal auf den Höhepunkt des Songs, welcher ausnahmslos gegen Ende über einem hereinbricht.

„Belonging“ ist vielleicht kein Popsong, doch passt als Puzzleteil gut zum ganzen Rest der Scheibe. Die Instrumentals werden etwas ruhiger, doch McGovern erzählt seine Geschichte weiter wie in einem Gedichtband und versucht sich gar nicht mal so schlecht mit einer gewagteren Stimmlage.

Auch in „The Lie Becomes The Self“ spielt die Band groß mit ihrem charakteristischen Sound auf: schleppende Beats, prägnante Gitarren und ein akustischer Mittelteil immer begleitet von McGovern’s Erzählungen kaputter zwischenmenschlichen Beziehung und eines noch kaputteren Selbst: „What is it all about/when I can’t here you laughing?“.

„We Had To Dissappear“ erinnert zu Beginn stark an “A Couple Across The Street” der anderen großen Band aus Baile Átha Cliath rund um Grian Chatten. Es handelt sich nicht um das stärkste Stück auf der Platte, doch lässt es uns McGovern’s Verzweilfung förmlich spüren, wenn es gegen Ende in ein fast Radiohead-esques Geheule mündet.

Das Ende der Platte wird vom albumnamen-gebenden „Gigi’s Recovery“ besiegelt. Der Song baut sich erneut langsam auf und lässt und gespannt auf den Höhepunkt warten. „I can feel it all flow/I am not my sorrow” spielt vermutlich auf Gigis Rückkehr zu sich selbst an. Grandios dreschen die Gitarren, Drums und McGoverns sich immer wiederholender Wahnsinn auf uns hinein und lässt uns mit der Frage zurück, ob sich Gigi tatsächlich erholt hat.

Wir haben nach dieser wunderbaren, aber unendlich schwermütigen Platte etwas Erholung nötig, denn das Outro „Exist“ lässt uns mit einem mulmigen Gefühl in einer Leere zurück, die kaum zu füllen ist.

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