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Sophie Lindinger – Sophie Lindinger

Das verzerrte Portrait auf dem Cover zeigt Sophie Lindinger, kräftige Linien und Farben umspielen ihre skeptischen Gesichtszüge. Als Gründerin der österreichischen Indie-Rock-Band My Ugly Clementine zieht sie jetzt mit ihrem Debütalbum “Sophie Lindinger” in den Krieg gegen sich selbst – solo.

Wenn sich ein Künstler dazu entscheidet, parallel zum Band-Dasein das eigene Projekt auf die Beine zu stellen, scheint es unter seinen Nägeln zu brennen. Die individuelle Selbsterfindung lässt sich bei einem Self-Titled-Release ausleben, besonders wenn es dazu noch selbst produziert wurde wie bei Sophie Lindinger: Denn alle Werkzeuge sind einsetzbar, die Künstlerin ist der alleinige Mittelpunkt seiner Arbeit. Welches Portrait zeichnet sie?

Das halb-stündige Werk beginnt langsam mit “Happy Pills”. Die warme Klangfarbe der Stimme, die durch entfernten Hall besonders zum Ausdruck kommt, steht im Kontrast zur elektrischen Gitarre, die noch näher am Ohr nicht sein könnte. Jazziges Getapse auf den Drums lässt es fast gemütlich wirken, wenn Lindinger ihre Erfahrungen mit Antidepressiva auf Band bringt.

Und dem Schema bleibt sie weitgehend treu: Fröhliche Melodien, entspannter Beat, ausdrucksstarke Stimme. Und es funktioniert – man leidet mit der Künstlerin mit, fühlt sich gleichzeitig beschwingt durch die instrumentale Ausgestaltung. Doch es gibt auch Ausreißer.

Erwähnenswert ist dabei “Salt“, der die andauernde Einsamkeit bei der Reise zu sich selbst am besten einfängt. Hier spielen sich eine softe Gitarre und die Stimme solange gegenseitig den Ball zu, bis sich zum Ende hin ein gewaltiges Brett an harter E-Gitarre entfaltet. Gänsehaut pur.

Dass der Mainstream auch einen Indie-Pop-Banger mitnehmen kann, dafür sorgt unter Anderem “Coffee“. Während Lindinger über die Geräusche ihrer Kaffeemaschine schwadroniert, eröffnet sie im Refrain ein basslastiges Pendant zum Alternative-Klassiker “Where Is My Mind“ von den Pixies.

Entgegen dem Aushängeschild ist der Klang dieser Platte nicht besonders dynamisch. Es ist ein zurückhaltendes Opus mit einschlagenden Lyrics, bei dem sporadisch funkiger Bass aus den Reihen tanzt.  Shoegaze-Gitarren und eine aufregende Stimme werden mit leisen Drums vermengt.

Stellenweise blitzt ein ausufernder Verzweiflungs-Exzess auf, aber Entschleunigung ist das Credo, mit dem Sophie Lindinger ihre Gefühle einfängt. Unterfüttert wird das sporadisch mit modernen Indie-Rock-Melodien.

Dieses Album, so simpel es an der Oberfläche erscheint, ist eine einzige Abfolge an Zerissenheiten, die Sophie Lindinger an die Hörer*innen loslässt. Leicht verdaulich ist das Ganze nicht – ihre Stimme, die an der Grenze zum Versagen singt, reibt auf und lässt überfordert zurück.

Es ist eine wunderbare Vertonung der unschönen Seiten des Lebens einer Sophie Lindinger – und wie man sich akzeptieren kann, mit allem, was man ist.

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