Manchmal erweckt das in Köln-Ehrenfeld gelegene Bumann & SOHN den Eindruck gut gemeinter Improvisation, die einen im schlimmsten Fall auch erschlagen könnte. Da wäre zum Beispiel ein Projektor, der – mit Gürtel und Bierdeckeln befestigt – den Platz in der ersten Reihe noch aufregender macht.
Oder die bestuhlten Tische direkt schräg vor der Bühne, die von der Schattenexistenz des Bumann & SOHN als Bar erzählen. Gut, wir gestehen: Es ist eine Bar. Aber am gestrigen Dienstagabend ist es – jedenfalls bis 22:00 Uhr – eine Konzertlocation, in der die Britin Anna B Savage mit ihrer Band auftritt.
Eröffnet wird der Abend von Iona Zajac aus Schottland. Umhüllt von Nebelschwaden beginnt Iona Zajac mit einem langsamen, fast spirituell anmutenden Acapella-Stück. Dem uninformierten deutschen Musikjournalisten fällt darin zunächst nur das Wort “Macintosh” auf, was in der sonoren Hymne etwas fehl am Platz wirkt.
Nach dem Lied klärt Zajac aber umgehend auf: Das Lied ist eine poetische Beschreibung eines Krieges, den der schottische Clan Mackintosh geführt und gewonnen hat. Die Romantisierung US-amerikanischer Tech-Konzerne gleich zu Beginn des Konzerts hätte uns auch sehr verwundert.
Zajacs Sound ist wie gemacht für das Bumann & SOHN. Ihre einfühlsamen Erzählungen aus dem Alltag wirken im warm beleuchteten Raum, der von einer meterlangen Bar und einem kleinen Kirchenfenster eingerahmt wird, wie überhörte Geschichten. Wenn Zajac von gutem Sex, schlechten Menschen, verfaultem Obst und schottischen Clans singt, wirkt das so ungekünstelt authentisch, dass man endlos zuhören könnte.
Dabei verleiht Zajac ihren humorvoll eingeleiteten Tracks mit ihrem Gesang eine emotionale und transzendente Schwere, die an London Grammars Hanna Reid erinnert. Bedächtliches Schweigen und begeisterter Applaus wechseln sich ab und bestätigen den Eindruck. Das Publikum ist hier für die Musik, und lässt sich vollumfänglich auf den Support ein.
Wenig später betritt Anna B Savage samt Band die Bühne. Einheitlich in rot gekleidet, nimmt das Trio auf der kleinen Bühne Platz und präsentiert sich gleich zu Beginn als Gegenprogramm zum zugänglichen Support. Anna B Savages Musik ist kantiger als die Iona Zajacs, die Rhythmuswechsel im Live-Auftritt unverkennbar und regelmäßig vom leisen Einzählen des Drummers begleitet. Passives Zuhören ist zum Scheitern verurteilt.
Zu Beginn wirkt Anna B Savage etwas verunsichert vom stillen Publikum, das zwar ausführlich applaudiert, zwischen den einzelnen Tracks aber eine derartige Stille einkehren lässt, dass selbst ein Flüstern nicht privat bleibt.
Anna lässt sich versichern, dass die Leute Spaß haben und macht unbeirrt weiter. In der ersten Reihe überhören wir bei scheinbar mitgereisten Besucher*innen einen scherzhaften Verweis auf die verhaltenen “Germans”. Ganz unrecht haben sie wahrscheinlich nicht, auch wenn die Musik zum Großteil weniger zum Tanzen als zum Wippen und stillen Bewundern einlädt.
Anna B Savages Stimme arbeitet sich von staccatohaftem Gesang über mystisches Hauchen und kontrollierten Abbrüchen in einen Rhythmus, der dem gesamten Auftritt Konzept verleiht, den Eindruck von Performance-Art erweckt.
Sie spielt mit den Erwartungen des Publikums, wenn in Tracks wie “Say My Name” auf eine stetige Verdichtung des Sounds die plötzliche Stille folgt, die Songs nicht im euphorischen Höhepunkt enden, sondern von Anna B Savage eingefangen und gezähmt werden.
Sie spielt auch mit den Erwartungen des Publikums, wenn sie kurz vor Ende der regulären Setlist ihren Hass für Zugaben kundtut. Das Publikum versteht und lässt etwaige Forderungen nach dem letzten Song ausbleiben.
Einzig logische Konsequenz: Der Abend endet wirklich mit “The Orange” und das Publikum wird nach Hause entlassen, oder eben an die Bar. Wäre naheliegend.