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Siamese Elephants – There Goes The Sun

Indie-Rock aus Wien ist bekanntlich gut: Omar Abdalla, Areg Barseghian, Markus Schwarz und Alex Kriz stehen seit einiger Zeit als Siamese Elephants auf der Bühne und fielen zu Beginn ihrer Karriere vor allem durch eingängige, doch flache Indie-Rock-Tracks auf. 

Aber spätestens seit ihrem zweiten Studio-Album “What Happened At The Social Club“ stellt die Band ihre Experimentierfreude unter Beweis, mit der sie auf ihrer neuen Platte  “There Goes The Sun“ den Indie bis an seine Grenzen bringt – und das mit viel klanglicher Wärme, der Sonne als lyrischem Dreh- und Angelpunkt, endet jedoch mit einem vernichtenden Resümee für die Welt.

“There Goes The Sun“ beginnt mit Gewohntem: “Blue Parasol“ vereinigt den typisch  funkigen Sound der Gitarren und Bass, mit dem sich Siamese Elephants schon seit “Dancing In The City“ auf dem ersten Album 2019 in der deutschsprachigen Szene manifestieren konnten.

Danach besinnt sich die Band in “Moshing To A Lovesong“ zurück auf den legeren Post-Punk-Sound à la Franz Ferdinand, den sie noch vom Vorgänger-Longplayer virtuos intus haben. Die nächsten Songs schließen sich dem Klang an, ohne sich zu ähneln oder sonderlich aus der Reihe zu tanzen.

Ab “Sunday“ beginnt ein merklicher Stimmungswechsel auf “There Goes The Sun“. Weiche, psychedelische Synthesizer, die an den allgegenwärtigen 80s-Sound erinnern, wurden schon in den ersten Songs kaum merklich untergemischt und wachsen jetzt zu einem dominierenden Element an. Zu Beginn noch hinter den Gitarren versteckt, baut sich der synthetische Klang zum Ende hin immer mehr auf, zum Ende hin bricht er sogar in regelrechte Disco-Ekstase aus.

Davon ist dann in “Avenues“ wieder weniger zu spüren. Der Track geht deutlich langsamer als die vorherigen ins Ohr und arbeitet dank der Percussion eine Atmosphäre heraus, die man kaum noch als Indie bezeichnen kann. Durchbrochen wird der entspannte Funk durch ein weiteres, neues Instrument: Alex Kriz’s Stimme ist in Auto-Tune getränkt, so dass seine bezeichnend raue Stimme nur so durch die Gegend fließt.

Einschläfernd wird “There Goes The Sun“ dadurch aber noch lange nicht. Die saloppe Synthese von Indie-Rock, Post-Punk und discoeskem Funk birgt eine Art ständige Aufregung, die trotzdem meditativ erscheint. Auf die Spitze treiben es die satirischen Lyrics, die in Kombination total aus der Zeit gefallen wirken. 

So thematisiert “Back On The Run“ zwischen der Percussion, dem zackigen Riff und der cleveren Komposition das Phänomen “TikTok“: “Tik Tok Toxic sympathy“ ertönt es in der Bridge, mehr Worte braucht es für die Gerenation Z auch nicht, um zu verstehen, was Siamese Elephants damit meinen.

Nach 12 Songs bringt “Wide-Eyed“ das dritte Studioalbum schweren Herzens zu Ende. In dem rhythmischen, balladen-artigen Track besinnen sich die vier Jungs melancholisch und mit Auto-Tune am Anschlag auf die Zukunft. Sie blicken ihr mit aufgerissenen Augen entgegen, denn ihre Prognose ist folgende: 

Eine Zeitenwende steht bevor und es wendet sich nicht zum Guten. Was ist, wenn wir uns an der Sonne verbrennen? Was ist, wenn wir als Menschheit zu nah dran sind?

Das dumpfe Gefühl nach “There Goes The Sun“ lässt fast vergessen, wie unfassbar gut dieses Album ist. Besonders ist, wie zeitlos die Platte klingt und trotzdem den Vibe der Zeit einfängt. Mein Resümee:

Die sterbende Indie-Rock-Szene kann sich ab sofort als gerettet ansehen.

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