“Tausche blödes altes Leben gegen neue Version”, sangen einst Wir sind Helden. Die Luxemburger Band TUYS treibt diesen Eskapismus und dessen Kommerzialisierung nun auf die Spitze und erschafft auf ihrem zweiten Album “Reality Management Ltd.” ein Unternehmen, das maßgeschneiderte Realitäten für unzufriedene Menschen bereitstellt.

Das Thema um die Absurditäten von alternativen Wirklichkeiten ist mitnichten neu, doch den vier Jungs Sam Tritz, Yann Gengler, Tun Biever und Tom Zuang gelingt mühelos eine Neuinterpretation frei von Plattitüden.

Bekannt für die kinematographische Inszenierung ihrer bisherigen Musikvideos erscheint das Konzeptalbum “Reality Management Ltd.” in Begleitung eines Kurzfilms. Schon auf ihrem Debütalbum “Swimming Youth” (2018) bewiesen die Wahlberliner ihr Händchen für eingängigen Indie-Pop mit progressiver Rock-Attitüde.

Die Instrumentierungen auf ihrem Nachfolgealbum gestalten sich noch pompöser und raffinierter. Das zeigt bereits der kurze, aber kraftvolle Einstieg “Title Sequence”. Ein dramatischer Aufbau mit unheilvollen Streichern gibt einen Vorgeschmack auf die chaotischen Realitäten, in die TUYS gleich entführen werden.

Passend zur Textzeile “Let me show you what I had in mind, I’m feeling like truth is a hologram” dominiert im Chorus von “Open Ears On A Straitjacket Party” die verzerrte und entfremdete Stimme. Selbst in einer Zwangsjacke kann man headbangen.

“Yellow Ether” zeigt sich wortkarg und lässt Raum für die wuchtigen Drums und transluzenten Harmonien. Ganz im Zeichen von Betäubung verschwimmt auch die Musik auf der Suche nach dem ewigen Rausch: “Come on stay a bit longer, I would like to know you more”.

In “Historic Lies” hingegen verdichten sich die gemächlichen und atmosphärischen Klangstrukturen. Die monotonen Synths verleihen dem Song eine bedrohliche Dringlichkeit.

Auf Biegen und (Er-)Brechen gibt sich das gut gelaunte “Everyday Soleil” der Realitätsverweigerung hin. Leichtfüßig stampfend und zwanghaft unbefangen schaukelt sich der Song mit seinen wabernden Gitarren immer mehr hoch, bis man auch wirklich glaubt, was man hört.

Völlig gleich, ob verträumt glucksender Pep-Talk als Sprechgesang in “Out Of The Blue” oder die wagemutig wiederholte Zeile “Catch me if you can” im forschen “How To Breathe Underwater” – die Hooks und Melodien auf “Reality Management Ltd.” betören und nisten sich unweigerlich in die Gehörgänge ein.

Mit ausufernden Gitarrenriffs, pulsierenden Bässe und tanzbaren Instrumentalpassagen macht “Reality Management Ltd.” viel mehr Spaß, als es ob ihrer dystopischen Visionen eigentlich sollte. Das Wechselspiel zwischen Wirklichkeit und Verzerrung setzen TUYS in ihrem satirischen Kurzfilm umwerfend schön in Szene.

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