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Bully – Lucky For You

Da ist aber jemand sauer. Könnte man zumindest meinen, wenn schon der Opener so viele verzerrte Gitarren in den Mix wirft, dass die Gehörgänge ordentlich gewienert werden. Dazu stolpert Alicia Bognannos Stimme auf ihrem vierten Album als Bully regelmäßig in geschrienen Enthusiasmus und ausdrucksstarkem Breitband-Sound. Wer genauer hinhört, entdeckt aber: “Lucky For You” ist ein introspektives, oft sogar schmerzhaft offenes Album. Die Kombi macht’s.

Schon zuvor wurde Bognanno, die früher noch mit Bandmitgliedern gemeinsam als Bully auftrat, nun aber vollends zur Solo-Künstlerin geworden ist, von eifrigen Journalist*innen in die Grunge-Suppe getaucht.

Der Vergleich passt bei dieser Platte – zumindest, was den Umgang mit Selbstzweifeln und Unsicherheiten angeht – hervorragend. Immer wieder sengen Noise-Wände die Nasenhaare der Hörer*innen weg, während Bully gerade eigentlich über verstorbene Hunde und Antriebslosigkeit singt.

Dennoch ist der Grunge-Aspekt für diese Platte deutlich zu kurz gegriffen. Erfrischenderweise hat Bully nämlich ein paar neue Spielweisen ins Repertoire aufgenommen. Zwar sind die offensichtlichen Hits der Platte – namens “Hard To Love” und “Change Your Mind” – weiterhin im bekannten, geradlinigen Alternative-Rock mit Keller-Geruch formuliert, aber der Horizont geht jetzt weiter:

Da wäre zum Beispiel die bittersüße Melange aus Distortion und Dream-Pop, die “A Love Profound” zu einem überraschend bewegenden Stück macht.

Oder die beinahe psychedelische Sanftmut, die im Soccer-Mommy-Feature “Lose You” über den Refrain schäumt und Ecken zu Rundungen macht.

Oder der breitbeinige Opener “All I Do”, in dem Bognanno wie eine heisere Version von Jade Bird klingt.

Oder der lässige Billy-Nomates-Kniefall, der “A Wonderful Life” zum Türöffner für mehr Selbstbewusstsein auf dieser Platte macht.

So geht Bully auf dieser Platte in Weiten, Höhen und Tiefen, die in der bisherigen Diskographie unangetastet blieben. Insgesamt funktioniert das Rezept damit noch besser und lädt zu aufgeschürften Knien und Fingern ein, ohne dafür aufs Konzert gehen zu müssen.

Katharsis ist das Motto – und spätestens beim großartigen Closer “All This Noise”, der völlig entfesselt Klimawandel, Gewalt gegen Frauen und Überforderung in eine implosive Mischung mixt, gibt es kein Halten mehr.

Eine Platte mit ordentlich Zunder in den Vinyl-Rillen. Diese Explosion schaut man sich gerne an.

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