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Annie Taylor – Inner Smile

Ob die erste Person, die die Niagarafälle in einem Fass überwand, ahnen konnte, dass sich 122 Jahre später eine Rockband nach ihr benennt? Wahrscheinlich hatte die damals 63-jährige verwitwete Überlebenskünstlerin andere Sorgen.

Hier geht es allerdings nicht um Annie Taylor aus den USA, sondern um Annie Taylor aus Zürich, die sich seit 2016 mit ihrem packenden Garage-Grunge von schäbigen, schlecht ausgestatteten Scheunen bis ins Vorprogramm von Acts wie Wolf Alice und Skunk Anansie gespielt haben.

Seit dem 2020er Debütalbum “Sweet Mortality” ist das Schweizer Quartett kratzig, fuzzig und schrammelnd unterwegs, jedoch mit einer überlässigen Contenance, die ungeahnte Emotionen auslöst. Annie Taylor sind nicht unbedingt wütend, sondern angepisst, genervt und uninteressiert.

So etwas ist zwar subtiler als blanke Aggression, kann aber trotzdem äußerst schmerzhaft stechen. Annie Taylor wissen, dass das Gegenteil von Liebe nicht gleich Hass, sondern Gleichgültigkeit ist.

Auf ihrer zweiten Platte “Inner Smile” akzentuiert die Band diesen Aspekt noch viel mehr als zuvor. Das erste Indiz dafür ist die Reduktion von krachendem Rock’n’Roll für das Mehr an Grunge und Psychedelic im Sound.

Die Band geht ihre Songs größtenteils gemächlicher an und startet etwa mit der entspannten Psych-Nummer “Birds”. Erst darauf geht es in “Love Is Blind” etwas ruppiger mit garstigen Riffs und angezogenem Tempo weiter.

“Smothering Me” stellt sich als zärtliche Indie-Ballade mit lieblichen Einsätzen von Klavier und Akustikgitarre heraus, während wiederum die Single “Schoolgirl” ein wenig Garage-Revival aufleben lässt, über welches Frontfrau Gini Jungi gelangweilt, aber dennoch lässig spricht.

Die Tracks atmen den Rock der 90er. Dicke Fuzz-Gitarren sowie grungige Harmonien und Riffs durchbrechen in den richtigen Momenten die Idylle und machen aus einer potenziell ganz netten Indie-Pop-Platte einen packenden und stimmungsvollen Alternative-Brocken.

Man sieht das Songwriting der Schweizer quasi vor den eigenen Augen wachsen. Eine schnelle Nummer kann das Quartett zwar immer noch ohne Probleme nebenbei herunterbrettern, es ist jedoch deutlich zu merken, dass Annie Taylor immer stärker darauf aus sind, einen hervorragenden Song aufzubauen, zu hegen und zu pflegen.

“Inner Smile” beweist die Komplexität von Annie Taylor, die die Band zuvor nicht in der Form zur Schau gestellt hatte. Besonders die Gitarren-Sektion bringt Variation und Spannung in das Album, das dadurch Lust auf mehr macht. Gelächelt wird beim Hören nicht nur innerlich.

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