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Fieh – III

Es ist das Jahr 2000. Irgendwie haben die Computer doch nicht den größten Crash der Weltgeschichte ausgelöst und ein Zwanzigjähriger, der seltsamerweise eine große Ähnlichkeit mit dem Rezensenten hat, verliert sich abwechselnd in einem Mix aus Indie-Rock und Soulmusik. Der US-amerikanische R&B-Künstler D`Angelo verlagert sich auf “Voodoo” hin zum Neosoul und wird zu einem der Dauerrotierer im heimischen CD-Spieler.

Fast Forward ins Jahr 2014 irgendwo in Norwegen. Drei Schüler namens Sofie Tollefsbol, Andreas Rukan und Ola Overby entdecken ihre gemeinsame Liebe zu eben diesem Album – und gründen eine Band namens Fieh.

Knappe zehn Jahre später sind es nicht mehr nur drei, sondern acht Musiker, welche mit einem Mix aus Neo-Soul, Funk, Electro und Popmusik ihren dritten Longplayer “III” vorlegen. Die Norweger setzen auf einen groovenden Mix aus Bootsy-Collins-Funk und einer modernen, von Hip-Hop durchzogenen Soulinterpretation eines Anderson Paak. Der Experimentierfreude ist es zu verdanken, dass sich auch elektronische Beats und Synthesizer bis hin zur Dissonanz ausleben dürfen.

Beim locker schwofenden Opener “Full Time Part Time Allthetime” ist das noch nicht der Fall, aber schon “Judy Law” garniert pluckernde, effektverzerrte Elektronik auf einem smoothen Drumpart, den selbst Questlove nicht lockerer aus dem Handgelenk spielen könnte.

Sängerin Sofie gibt sich selbstbewusst kurzatmig, was sich beim wirbelnden “Supergud” ändert. Im Uptempo-Drumbeat trällert sie sich die gute Laune von der Seele, umtänzelt die Guitarlicks und stimmt ein Duett mit dem Klavier an. Das motiviert auch die Bläsersektion, etwas beizusteuern und wenig später schlängelt sich ein Ohrwurm durchs Gehör.

Eine Prise Jamiroquai umschwebt “Inbox”, dessen Anspruch an Pianomelodien den letzten Schritt auf den Tanzboden verweigert, dafür aber Synthieeffekte inflationär gebraucht, welche wiederum vom flockigen Soulrefrain ablenken.

Einen Schritt weiter traut sich “Band Aid”, das im funky Uptempo zum Tanzen animiert. Sofie Tollefsbol umschwirrt sirenend die launige Instrumentierung und lässt die Hörerschaft ein weiteres Mal die Vielseitigkeit von Soulmusik ergründen.

Die Singleauskopplung “Texas Baby” hingegen zupft und zurrt im Stile von Bootsy Collins an den Saiten. Schießt im Chorus ein groovendes Soulfeuerwerk ans Firmament, welches dank Tollefsbols eindringlichem Gesang langfristig verweilt.

Dass der Groove auch ein Bastard sein kann, beweist “Streamline”. Dreckig, basslastig, dissonant tackernd schiebt er den Gesang vor sich her, lässt Sofie Tollefsbol auf der Egomanenwelle surfen, die mit Synthesizern an den Strand der Eingängigkeit gespült wird. Daran hat der Titel derart Freude, dass er mit Trommeln und Klimpern den Rhythmusrückwärtsgang einlegt.

Zurück zum Soul kehrt “Drinking Again”. Der Gesang mäandert einem spannungsarmen Refrain entgegen und verkatert mit zunehmender Dauer. Da hilft auch der Funkdefibrillator “Munni In The Microwave” nicht weiter, der das Gute-Laune-Prinzip mit fiebrigen Drum- und Gesangsparts ausreizt, bevor “A.T.T.” kurz dem R&B einen Besuch abstattet und bei “My Dream” doch wieder beim Soul landet.

Klassisch im Motownstil klavierbegleitet schwofend, pendelt sich “My Dream” auf das abschließende “Daylight” ein. Der tempoverminderte Soultitel gräbt sich nochmal tief ins Gehör, lässt ein fuzzy Gitarrensolo auf den unaufgeregten Herzschlagbeat los, während Sofie Tollefsboll ihrer Stimme eine Höhenbehandlung gönnt.

So hat “III” seinen ganz eigenen, vielseitigen Groove. Der zündet leider nicht immer und scheitert wohl auch daran, dass der Sound der achtköpfigen Band live sicher mehr mitreißende Atmosphäre erzeugen kann.

Die großen Momente erleben Fieh immer dann, wenn sie die überbordende Experimentierfreude beiseite lassen und sich dem puren Neo-Soul hingeben. Gerade dann sind sie ihrem Vorbild D´Angelo am Nächsten.

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