Nach ihren Bandkollegen Jamie xx und Oliver Sim veröffentlicht auch Romy Madley Croft endlich ihr Solo-Debütalbum. Inmitten der Tanzfläche errichtet sie auf „Mid Air“ einen Safe Space für die (Selbst-)Liebe. Denn Tanzen und Weinen sei keine schlechte Kombination, sagt die The-xx-Sängerin.

90er Jahre Trance trifft auf Eurodance trifft auf 2000er EDM. „Mid Air“ steckt voller vertrauter Klänge. Über fast durchgehende 4-to-the-floor-Rhythmen zelebriert Romy eine neonleuchtende Schwermut.

Das Album versteht sie als einen Liebesbrief an die queeren Clubs ihrer Jugend. Die kommerzielle Popmusik habe sie dort kennen und lieben gelernt. Gemeinsam mit Fred Again.. und Stuart Price als Produzenten huldigt sie dem Dance-Pop aus rauschhaften Beats und ihrer sonorer Stimme.

„Mid Air“ ist eine Ode an die Zuflucht im Feiern und an die Selbstfindung durch ihr Coming-Out. Entsprechend autobiographisch gefärbt sind ihre Texte, auch wenn sie manchmal nur schwer von Binsenweisheiten zu unterscheiden sind. Doch oft genug wiederholt und mit der richtigen Hook wird jede Plattitüde zu einem Mantra.

In „Enjoy Your Life“ sampelt Romy mit der Zeile „My mother says to me, ‚enjoy your life'“ den kaleidoskopartigen Song „La Vita“ des Musikers Beverly Glenn-Copeland. Daraus entsteht eine lebensbejahende wie brillante Nummer, die einen ähnlich loopartigen Charme versprüht wie ihrerzeit „Groovejet (If This Ain’t Love)“ oder „Lady (Hear Me Tonight)“.

Auch Einflüsse von Everything But The Girl mischen sich unter die Klangflächen von „Mid Air“. Inspiriert von Ibiza bei Nacht bündelt Romy in „The Sea“ die wohltuende Einsamkeit, während sie mit offenem Verdeck durch eine Palmenallee cruist. Auch „Loveher“ mit sanften Klavierakkorden ist davon nicht allzu weit entfernt.

Irgendwo zwischen Dr. Alban, Ace Of Base und DJ Bobo bedient sich „One Last Try“ einer sentimentalen wie liebenswürdigen Räudigkeit, die nur jene zu schätzen wissen werden, die noch im letzten Jahrtausend geboren wurden.

„Twice“ beginnt puristisch und bauscht sich immer mehr auf. Die Synths gegen Ende erinnern an Madonnas „Confessions On A Dance Floor“ und den Übergang von „Get Together“ zu „Sorry“. Die Hoffnung, der Ausklang von „Twice“ würde in „Did I“ fortgeführt werden, erfüllt sich leider nicht.

Egal, ob vor Ort bei der Berliner Siegessäule oder bloß daheim vorm Röhrenfernseher, stampfende Tracks wie „Strong“ oder „Weightless“ überwinden Zeit und Raum und holen die Loveparade zurück. Denn Nostalgie ist zeitlos und kommt nie ungelegen. Damit gibt es immer nur richtige, nie falsche Zeitpunkte für verklärtes Schwelgen in der Vergangenheit.

Nach diesem Motto tanzt sich „Mid Air“ ungehemmt in die melancholischen Herzen.

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