Voll war es am gestrigen Freitag im Leipziger Haus Auensee. Jedoch eilte den Sisters Of Mercy der Ruf voraus, eine der schlechtesten Live-Performances überhaupt abzuliefern. Davon konnte man sich in der Region bereits 1993 in der Eissporthalle der benachbarten Saalemetropole Halle überzeugen, als ihr Auftritt neben den Ramones, Monster Magnet und Type O Negative bestenfalls in blasser Erinnerung blieb.
Dort waren noch ein paar Musiker mehr um Andrew Eltritch versammelt, der mit den Sisters in wechselnder Besetzung zwar nur drei Longplayer, daneben jedoch viele, noch immer rar gehandelte, Vinyl 12 Inches veröffentlichte und darauf zwischen Gothic-Rock und Dark Wave unsterbliche Hits platzierte, die Kultstatus für die Ewigkeit garantierten.
Vornweg pumpte am gestrigen Abend das britische Duo The Virginmarys soviel Dynamik in den Saal, wie man aus einer Gitarre und einem Schlagzeug eben herausholen kann. Danach ließ erster Nebel und Scheppern aus den Lautsprechern Großes erwarten, bevor kurz nach 21:00 Uhr Licht und Ton ausgingen. An ging dann eine Weile nichts mehr, im mehrminütigen Vakuum forderten die ersten Besucher*innen den Beginn der Show.
Schließlich glückte der Start der Technik und die bekannten Livequalitäten der zum Duo geschrumpften Sisters fusionierten mit der semi-optimalen Akustik des Venues. Zäh die Klänge, die eingangs aus den Boxen drängten, welches Stück den Auftakt machte, war nur mit Netzhilfe zu identifizieren: es war das relativ neue Stück „Don’t Drive On Ice“.
Auch das folgende „Ribbons“ vom letzten regulären Studioalbum “Vision Thing” (1990) präsentierte sich gut getarnt. Mit dem markanten Leitriff von „Alice“ wurde die Identifikation der Setlist einfacher, der zugehörige Gesang, eher im weiteren Sinn ein solcher, war derweil nur in den vorderen Reihen verständlich.
Dort zündete der Auftritt früh, je weiter hinten man war, desto mehr glich die Veranstaltung zunächst einer gemütlichen Fahrt mit der Parkeisenbahn um das angrenzende Gewässer, bevor via „Dominion/Mother Russia“ der Funke erstmals flächendeckend übersprang.
Der Protagonist schreitete unablässig die Bühne ab, gestikulierte bedeutungsschwer und führte einen Dialog mit dem Mikrofon, seine deutschen Verse von „Marian“ waren dann sogar im ganzen Haus zu verstehen.
Mit der Sisterhood-Referenzsingle „Giving Ground“, auf die deren Ur-Interpret James Ray seinerzeit beim Auftritt von James Ray’s Gangwar im Werk 2 der Stadt wenig gut zu sprechen war, konnte ein atmosphärisches Highlight gesetzt werden, von denjenigen Besucher*innen verpasst, die zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Heimweg waren.
Der Sound schluckte weiterhin verlässlich alle Ecken und Kanten, blieb im Verlauf unbeständig und wäre an diesem Abend selbst von Ofra Hazas glockenklarer Stimme nicht auf ein anderes Level gehoben worden.
So war von „Doctor Jeep/ Detonation Boulevard“ nur das Grundgerüst zu erkennen, blieb es Idealvorstellung, wozu „Vision Thing“ mit mehr physischem Line-Up und vernünftiger Abmischung in der Lage gewesen wäre.
Ben Christo an den Saiten übte sich unablässig im Rockstar-Gestus, die Leiterplatten des treuen Doktor Avalanche schienen intakt und sein Chef war, nachdem der Gig des Vorabends in Berlin wegen nicht näher bezeichneter gesundheitlicher Probleme nach nur einer halben Stunde abgebrochen wurde, vital genug, um die Show zu Ende zu bringen.
Zur Zugabe hatten sich die Reihen an den Rändern bereits deutlich gelichtet, „Lucretia My Reflection“, „Temple Of Love“ und „This Corrosion“ klangen zwar nicht besser als die 80 vorherigen Minuten, wurden dennoch von begeisterten Zuschauer*innen gefeiert, von denen einige zur letzten Nummer vermutlich am Ort des Geschehens bereits anlässlich des „Mittwochspop“ in den Endachzigern getanzt haben dürften.
„I’ve seen the best of men go past, I don’t wanna be the last“ – trotz warnender Zeilen aus „Something Fast“ nährten Andrew Eldritch und die Sisters Of Mercy mit diesem Auftritt die eigene Legendenbildung.