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Sivert Hoyem – On An Island

Einige Jahre nach der Veröffentlichung seines 2016er Solo-Albums “Lioness” überlegt Madrugada-Frontmann und selbsterklärter Melancholiker Sivert Høyem, welches Album er als nächstes schreiben will. Für solch eine Überlegung ist auch der Entstehungsort in Betracht zu ziehen.

Die Toskana und Südfrankreich stehen zur Debatte – egal, solange die Aufnahmen in einem großen, gemütlichen Raum mit Holzverkleidung stattfinden können. Am Ende ist es aber nicht der warme Süden, sondern der kalte, aber doch heimelige Norden Europas.

Das liegt einerseits an der großen Pandemie, die das Verlassen Norwegens – die Heimat des Sängers – verhindert. Andererseits entdeckt Høyem ganz in der Nähe seiner Heimat das kleine Fischerdorf Nyksund wieder – mit dem Gemeindehaus Zoar, das perfekt für das Unternehmen scheint.

Etwas Einfaches möchte der Musiker mit seinen Mitstreitern erschaffen, etwas Durchdringendes – und genau das ist “On An Island”, die mittlerweile sechste Solo-Platte von Høyem, durch und durch geworden.

Zum Teil sind es die weitläufigen Bariton-Gitarren, die schwer durch die Luft schneiden und dann darin hängen bleiben, bis sie hallig ausklingen. Zum Teil ist es die tieftraurige Stimme des Sängers, mit der man unweigerlich mitfühlt.

Alleine diese Kombination ist ein absoluter Garant für Gänsehaut auf “On An Island”, das mal still schwebt, mal aufbrausend vorprescht und dann wieder stetig mäandert – wie die See selbst, die Nyksund einst zu einem lebhaften Fischerort machte.

Das Dorf wurde mit der modernen Fischerei verlassen, dann wurde es quasi gentrifiziert: Künstler*innen und Hippies kamen, dann die Touristen. Heute lebt der Ort wieder ein wenig, hat Geschichten wie “On An Island” schon fast vergessen.

Geschichten von einem einsamen Leben in einer verlassenen Gegend, das Meer als Mittelpunkt des eigenen Lebens. Wie eine Novelle aus dem 19. Jahrhundert trägt das Album endlose, graue Tristesse und eine gewisse Seemanns-Romantik gefühlvoll zusammen.

Gelegentliche Synths sind spärlich eingesetzt, bleiben geschmackvoll und passen sich mit ihrem organisch und mal so gar nicht nach Synthetik klingenden Sound organisch in das Gesamtbild ein.

Die Hauptrolle nimmt aber sowieso bis zum Ende die Stimme Høyems ein, die lasziv brummt, weltschmerzend wehklagt und niedergeschlagen murmelt. Das Spektrum des Sängers mit den einfachen Melodien erzeugt eine Magie, die direkt aus den grauen Wellen heraus zu entstehen scheinen.

All dies lässt “On An Island” zu einem schleppenden, aber äußerst intensiven Werk werden. Man ist hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, sich lüstern am Strand zu räkeln oder mit einem 1.000-Meilen-Blick aufs Meer zu schauen.

Høyem tut nicht viel – und das muss er auch gar nicht, denn durch die simplen Elemente seiner Songs entsteht ein Tsunami der Melancholie, der jegliche Farbe aus der Welt spült und nur noch innere Unruhe und Einsamkeit hinterlässt – und in diesem Fall fühlt sich genau das fantastisch an.

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