Auf ihrem achten Studioalbum “Big Anonymous” widmet sich Sarah Assbring alias El Perro Del Mar dem Thema Tod. Zwischen Licht und Schatten pendelnd nimmt die Schwedin den Hörer mit auf eine atmosphärische Soundreise, die bis zum Schluss fesselt und berührt. Kurz vor der Albumveröffentlichung trafen wir uns mit Sarah Assbring zum Interview und sprachen über musikalische Trauerarbeit, künstlerische Herausforderungen und puren Live-Genuss.
MusikBlog: Sarah, auf deinem neuen Studioalbum “Big Anonymous” beschäftigst du dich intensiv mit dem Thema Tod. Hast du Angst vor dem Tod?
Sarah Assbring: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich denke, dass ich keine Angst vor dem habe, was der Tod bedeutet, oder was nach dem Tod passiert. Ich fürchte mich eher davor, gehen zu müssen, Dinge und Personen hinter mir zu lassen.
MusikBlog: Der Umgang mit dem Thema Tod ist kein einfacher. Kann Musik diesbezüglich eine Brücke bauen?
Sarah Assbring: Davon bin ich überzeugt. Ich selbst musste mit Verlusten kämpfen und einen Weg des Umgangs damit finden. Der Tod ist so eingreifend, dass man nur sehr schwer in einen Zustand der Kommunikation kommt. Über den Tod zu reden, fällt vielen Menschen unheimlich schwer – ich schließlich mich da total mit ein.
Mit den Songs auf meinem neuen Album versuche ich, eine Verbindung herzustellen. Es geht dabei um die Gedanken an den Tod von anderen Menschen, aber auch um meinen eigenen. Wie gehe ich damit um? Welche Gefühle kommen in mir hoch? Welche Gedanken begleiten mich dabei? Diese Emotionen und die damit verbundenen Fragen lassen sich nur sehr schwer verarbeiten und beantworten. Die Musik hilft da ungemein.
MusikBlog: Die Trauerarbeit ist eine sehr atmosphärische.
Sarah Assbring: Ja, der Begriff Trauer umfasst so viele verschiedene Facetten. Der allgemeine Umgang mit Trauer deckt nicht alles ab. Trauer kann noch so viel mehr bewirken und auch so viel mehr aufzeigen. Ich wollte diesmal noch mehr darauf achten, dass ich die Musik richtig fühle. Das klappt nur, wenn man gewillt ist, komplett loszulassen. Es geht dann nicht mehr so sehr um die vermeintlich richtigen Reglereinstellungen, sondern nur noch darum, was man hört, wenn man die Augen schließt. Genau mit diesem Ansatz sind wir ins Studio gegangen. Es wusste aber niemand, was am Ende dabei herauskommt.
MusikBlog: Das Fundament des Ganzen wurde bereits während eines Performance-Auftritts im Jahr 2019 in Stockholm gelegt. Wie kam es dazu?
Sarah Assbring: Nun, ich bin damals für die musikalische Umsetzung eines Performance-Konzerts angefragt worden, bei dem sich Musik und Tanz vereinen sollten. Für mich wurde damals ein Traum wahr, denn ich konnte erstmals komplett ohne Erwartungen, Vorgaben oder Regeln arbeiten. Es gab nichts außer meinen Gedanken und künstlerischen Vorstellung. Dieser Umstand machte das Ganze sehr besonders. Die Arbeit mit den Musikern und Choreografen war sehr intensiv. Ich habe mich total sicher und frei gefühlt. So entstand dann auch zwangsläufig eine etwas andere musikalische Atmosphäre.
MusikBlog: Wie herausfordernd war das alles für dich?
Sarah Assbring: Es war schon eine sehr große Herausforderung, denn das Loslassen und das Arbeiten in einem Zustand, in dem man sich automatisch auch ein bisschen verloren fühlt, macht sehr verletzlich. Auf der anderen Seite fühlt man aber auch eine gewisse Unbeschwertheit, weil man loslässt und einfach nur aus dem Bauch heraus entscheidet.
MusikBlog: Wie wichtig ist dir der musikalische Entstehungsprozess im Vergleich zu all den anderen Phasen innerhalb einer Albumproduktion?
Sarah Assbring: Um ehrlich zu sein: Ich brauche all diese Parts. Die erste Idee ist genauso wertvoll und wichtig wie die letzte Probe. Alles ist irgendwie miteinander verwoben. Daher ist mir auch alles gleich wichtig. Ich habe so viele verschiedene Rollen in diesem Prozess – und es ist auch so wichtig, dass es genau so ist, denn ich langweile mich sehr schnell. Ich brauche diese Veränderungen einfach.
Es ist unheimlich faszinierend, dass die Arbeit beim Songwriting eine ganz andere ist als die im Studio – und trotzdem sind beide Prozesse so eng miteinander verbunden. Das ist bei den anderen Parts genauso. Das macht das große Ganze am Ende unheimlich abwechslungsreich und spannend.
MusikBlog: Deine Musik und die dazugehörigen Texte sind immer sehr intim und persönlich. Genießt du es auch, die Emotionen auf Tour mit unzähligen, dir fremden Menschen zu teilen, oder kostet das auch Überwindung?
Sarah Assbring: Es mag ein bisschen komisch klingen, aber ich genieße diese Momente in vollen Zügen. Ich bin jemand, der nur sehr schwer über die eigenen Gefühle reden kann. Wenn ich unter Leuten bin, und es um tiefgehende Themen geht, dann bin ich oft verunsichert und komme nur sehr schwer aus mir raus.
Die Musik hilft mir dabei, eine Art Kommunikationsebene herzustellen, damit fällt es mir wesentlich leichter. Ich bin natürlich gespannt, ob es mir diesmal auch so leichtfallen wird, denn die neuen Songs gehören sicherlich zu den persönlichsten, die ich je aufgenommen habe. Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf die Konzerte.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.