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Sandwell District – WHERE NEXT ?

Enthusiasmus ist was feines. Regis (Karl O’Connor) und Female (Peter Sutton) schienen beides zu haben, als sie 2002 Sandwell District, zunächst nur als Label, gründeten. Mit einer Vision von modernem Techno entwickelten sich ihre Alben vom Geheimtipp zur heiß erwarteten Veröffentlichung.

Mit raren Vinyl-Pressungen und Berghain-Auftritten schwoll das Duo mit David Sumner (Function) und John Juan Mendez (Silent Servant) zum Kollektiv heran, bis es sich 2011 auflöste.

“Silent Servant” Juan Mendez ist im Januar diesen Jahres unerwartet gestorben, damit wird “WHERE NEXT ?” – eine Compilation aus bisher unveröffentlichten und remasterten Singles – nun ungeplant auch zu einem Memorial.

“WHERE NEXT ?” kommt einer Bestandsaufnahme gleich. Einer Bestandsaufnahme von 30 Jahren Technoerfahrung, welche Sandwell District sowohl in New York als auch in London sammeln konnte.

Dabei gehörten die DJs durchaus auch zu den Pionieren des entkernten, der rohen Technomusik. Mit verschiedenen Einflüssen spielend, entwickeln sich Titel wie das pulsierende “Reykjavik” zum siebenminütigen Trancezustand, das mit Trommeleinsatz angetriebene “Hypnotica Scale” zum Tanz um die Feuerstelle und “Haiku (Regis Edit)” zur mechanisch pumpenden Workoutbegleitung.

Die Beats sind stets platziert ohne den Anspruch auf Eskalation, dafür verlieren sich sphärische Klänge im Raum, spielen mit hallenden Effekten und surrenden Frequenzen.

“Disaffected” und “Violencia (Kalon Mix)” gelten als Blaupausen für angesprochene Klänge. “Man Is The Superior Animal” hingegen wirkt scheu, spielerisch tänzelnd und doch schraubt sich der Puls am Beatkonstrukt nach oben.

Man ist bereit für “Sampler 1 B1 (Regis Edit)”, einem der gemeinsam mit Silent Servant entstandenen Werke. Neblig wabernd fordert man zum Tanz auf, während pluckernde Beats wie Regentropfen fallen, sich sphärische Frequenzen wie Meeresrauschen zu einem eigenen Klangkosmos wiegen.

Der wird jäh von “Mad Youth (OD Edit)” unterbrochen. Techno aus dem Rave-Baukasten, allerdings mit coolem Anstrich, der in die Extremitäten fährt und den Kopf im Space Shuttle durchs All fliegen lässt.

Zurück in der Dampflokomotive der Glückseligkeit findet sich hingegen “Discipline (OD Edit)”. Beats aus der Zeit der Industrialisierung schieben unablässig einen klopfenden Rhythmus durchs Gehör, der von der unterkühlt digitalen Konstruktion “Variance Variance (CH-Signal Laboratories Edit)” und der Suche nach SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) Signalen im All abgelöst wird.

Zurück zum rohen Takt, einem Spiel mit Trommeln und Frequenzen, begibt sich “Ember (New Mix)”. Hallende Klänge aus röhrenartigen Instrumenten, blutdrucksteigernde Rhythmik und gefühlte Endlosigkeit treiben den Titel zurück in die Urzeit.

Kosmische Welten bereist auch der finale Track “Inter” mit clubtauglicher Instrumentierung und bewusstseinserweiternder Triplastigkeit.

“WHERE NEXT ?” ist eine Chronologie. Vom rohen Zustand der ersten Werke von Sandwell District, hin zu den minimalistisch intensiven Downbeat-Electronica-Tripbegleitern des Jetzt. Derweil sorgt der Enthusiasmus für die unterschiedlichsten Einflüsse, welche sich aber doch zum ganz eigenen Klangkörper verbinden.

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