Eine kurze Trip-Hop-Blütezeit reichte dem Bristol-Sound, um ein eigenes Kapitel Musikgeschichte zu schreiben. Die Entwürfe von Massive Attack & Co. bleiben fortwährend Referenz für nachrückende Künstler*innen-Generationen, und nicht nur Tricky-Muse Marta, auch der Genre-Pionier selbst veröffentlicht nach wie vor Alben, auf dem er die Grundstimmung dieser Spielart weiter durch die Welt trägt.

Beth Gibbons, mit dem Szene-Flaggschiff Portishead für den Meilenstein „Dummy“ mit den Klassikern „Roads“ und „Glory Box“ verantwortlich, bringt 16 Jahre nach dem letzten Portishead-Album ihr erstes offizielles Solowerk „Lives Outgrown“ an den Start.

Auf der in einem 10-jährigen Prozess entstandenen Platte fasst Gibbons eine lange „Zeit der Abschiede“ von Familie, Freunden und nicht zuletzt sich selbst zusammen.

Dass das aus Ängsten und Schlaflosigkeit geborene „Lives Outgrown“ vor dieser Thematik nicht durchgängig nach der Sonnenseite des Lebens klingen kann, versteht sich, komponiert die Musikerin eine schmerzliche Aufarbeitung ihrer Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit.

Die 59-Jährige packt die Erkenntnisse ihrer Grübelei in zehn organische Aufnahmen, die mit akustischer Gitarre, Chor, Streichern, Feldaufnahmen und Kinderstimmen – wie von der Protagonistin gewünscht – weg von „der zuckersüßen Sucht nach hohen Frequenzen“ Kraft für Kommendes generieren.

Produziert hat Beth Gibbons die Arrangements gemeinsam mit dem Meister an den Reglern James Ford. Ebenfalls dabei Lee Harris, was nach der  Kooperation mit Paul Webb aka Rustin Man auf der gemeinsamen 2003er Ausgabe „Out Of Season“ eine weitere Zusammenarbeit mit einem ehemaligen Talk-Talk-Musiker bedeutet.

Wieder und wieder entstehen aus harmonie-durchbrechender Dissonanz neue Melodien, nimmt die Unwucht im Background „Tell Me Who You Are Today“ die Ruhe, das Liedchen, welches das schwelgerische „Lost Changes“ pfeift, ist nicht unbedingt ein fröhliches, norden sich die Eingangsakkorde von „Rewind“ nahe am Swans-Noise-Folk ein.

Esoterisch geflutet „For Sale“, zerbrechlich „Burden Of Life“, wehmütig die Gedanken, die in „Oceans“ fließen, mit Eruptionen aus schrägen Tönen gespickt „Beyond The Sun“, Vögel und Flöte bereiten den Nährboden für „Whispering Love“.

Beth Gibbons gelingt mit „Lives Outgrown“ ein starker Übergang in eine neue Schaffensphase. Ob sie damit – ihrer Selbstanalyse nach – „am anderen Ende angekommen“ ist, bleibt zumindest akustisch offen.

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