Post-Punk hier, Post-Punk da. Seit dem Brexit scheinen sich die Briten wieder auf ihre eigentlichen Exportgüter zu konzentrieren. Vom NME aufgeblasene Hypetrains und eigenwillige, egozentrische Musiker. Saxophonist Joe Henwood und Schlagzeugerin Tash Keary, beide durchaus banderfahren, wollen – schlicht als O. betitelt – nun ziemlichen “WeirdOs”-Sound fabrizieren.
Was die Promo als Mischung aus Jungle Breakbeats, Dancefloor Drops, vertrackten Jazz Lines und Death Metal verkaufen möchte, dem kann man auch den Überbegriff Noise geben. Denn das ist das zehn Track starke Debütalbum des Duos allemal.
(Tanzbarer) Frickelnoise, der irgendwo den Spagat zwischen Death From Above 1979 und der Gilla Band wagt. Wie beim schreddernden “Cosmo” etwa, wo tackernde Rhythmik auf sägenden Doom trifft. Das fräst sich ins Gehör und wabert echoend durchs Gehirn.
Die Kakophonieparty startet aber bei “176”, was wohl auch der Dezibelzahl entspricht, bei der man letztendlich den Verstand verliert, wenn man sich das rumplige Saxophongetröte wie weiße Lines durchs Neuralnetzwerk bläst.
Begeisternd ist aber stets die Rhythmik, die – angetrieben von Tash Kearys wackerem Drumspiel – selten ins apokalyptische Gekloppe abdriftet, wenn auch der Rest der Instrumentalwelt über O. hereinzubrechen scheint. Man neigt nämlich auch zur Übertreibung und arbeitet sich an allem ab, was im Studio in Griffweite ist.
Das mündet nicht selten in solchen Hinhör-Experimenten wie “TV Dinners”. Schnarrende Halleffekte auf schleppenden Akkorden, die sich zu einem technoiden, bombastischen Noise-Rock-Fetzen entwickeln, der auch das eher progressive “Wheezy” noch beeinflusst. Das atmet erstmal durch, jazzt sich anschließend saxophonierend durch die Rhythmussektion, um im orgiastischen Stromgewitter zu zerfließen. Liest sich wie es klingt.
Bei “Mirco” wird es herausfordernd. Zunächst wähnt man sich 5 km entfernt zum Nürburgring beim Rennwochenende. Für die Naturfreunde unter uns könnte es aber auch nur ein Bienennest sein, das uns akustisch vorgehalten wird. Danach wird es temporeich dramatisch, wenn dicke Grooves auf klopfendes Drumstakkato prallen und im industriellen Technoflow wabernd ganze Gewerbegebiete beschallen.
Der Sound der Os ist Herausforderung und Erleuchtung zugleich. Da kommen solch spacige Operas wie “Cosmo” gerade recht, denn die gleiten eher gemächlich im Orbitalflug ins Gehör, bevor sie in der Atmosphäre verglühen.
Die Londoner haben aber auch einen Hang zum apokalyptischen Endszenario. Warum also warten, bis der Track zu Ende ist? So drischt sich “Green Shirt” gleich von Anfang an mit Meteorhagel-Drums und markerschütternden Bass in die Herzen aller Jünger der Endzeit.
Das goldene Zeitalter danach läutet, äh bläst “Whammy” mit seichter Percussion und Saxophon ein. Das wirkt reinigend, speziell wenn alle Aufmerksamkeit zu Tash Kearys Drumexzellenz wandert.
Auch “Sugarfish” bleibt zunächst den leisen Tönen treu, findet sich aber schnell in flächigen Synthesizerwelten wieder, die in einem noisigen Freejazzfestival enden, das von renommierten Metalheads gespielt wird.
“Slap Juice” gibt sich abschließend keine Blöße und trötet, hämmert, klopft und schnarrt, was das Zeug hält und die Genregrenzen erweitert.
Die “WeirdOs” machen dem Albumtitel alle Ehre und beweisen, dass Instrumentalbands durchaus relevant sind. Das britische Duo hat keine Hemmnisse und bietet sowohl für den LoFi Nerd als auch für den Metalhead ausreichend Klangwelten, so dass allein die Neugier schon zum Hören des Albums verleitet.
Einzig an das gar endzeitige Chaosgekloppe, das O. des Öfteren befällt, sollte man, seinem Trommelfell zu liebe, sich erstmal herantasten.