Nach 18 Jahren gastierten The Cardigans erstmals wieder in Deutschland. Im Rahmen des Zeltfestivals Rhein-Neckar spielte die fünfköpfige Band am gestrigen Samstag ein 90-minütiges Set, das kaum Wünsche offen ließ und vor musikalischer Könnerschaft nur so strotzte.
Es wird hierzulande ihre einzige Show bleiben. Umso auffälliger ist, wieviel Raum trotz dieser Exklusivität vor der Bühne ungenutzt bleibt. Wo an selber Stelle eine Woche zuvor die Gen Z bei Rapper OG Keemo noch das Palastzelt restlos ausverkaufte, stehen nun links und rechts große Absperrungen, um das zahlenmäßig deutlich kleinere und bei weitem betagtere Publikum vor der Mitte der Bühne zu konzentrieren.
Fast scheint es, als wäre Schwedens beste Gitarrenpop-Band inzwischen ein Fall für Besser-Informierte. Dass die Band seit ihrem 2005er Album „Super Extra Gravity“ keine neue Musik mehr veröffentlichte und nur sporadisch Konzerte gibt, mag seinen Teil dazu beigetragen haben.
Dafür darf man sich schon vorab auf ein geballtes Best-Of-Set aus einer Zeit freuen, als Gitarren-Musik noch eine deutlich größere Rolle spielte. Davon können auch Shout Out Louds als Supportact mehr als nur ein Lied singen, schließlich ist ihr Debüt „Howl Howl Gaff Gaff“ auch schon wieder über 20 Jahre alt – und somit auch ihre größten Hits.
Die Stockholmer ergreifen die Chance und spielen es in voller Länge, inklusive „Please Please Please“ „Very Loud“ und dem angedeuteten The-Strokes-Song „Last Night“.
Weil ihr so schmissiger wie schwelgerischer Indierock hervorragend gealtert ist, verfängt er auch bei jenen, die sich bei Telquist, dem vorherigen, ersten Act des Abends, noch draußen vor dem Zelt um die nächste Weinschorle und ein paar Sonnenstrahlen bemühen.
Wie wichtig die einzige Frau in dieser Band ist, zeigt sich nicht nur in den Synthflächen von Ersatz-Keyboarderin Jennie Abrahamson, sondern gerade dann, wenn sie, wie in den letzten beiden Songs, die Zweitstimme übernimmt und die Gefühle bis unter das Zeltdach abheben.
Es ist die perfekte Überleitung zu ihren Landsleuten von The Cardigans – einer Band, die schließlich alles in den Dienst ihrer Sängerin stellt. Nina Persson brilliert, wie zu erwarten war, gesanglich von der ersten Sekunden an, ob in einer Ballade wie „Communication“ oder dem Indiepop von „Live And Learn“. Ihre unnachahmliche Stimme klingt live so unverkennbar wie auf Platte.
In einem gleichermaßen differenzierten wie fantastischen Gesamtsound setzt sie sich ungeachtet der Lautstärker so gekonnt durch, dass ihr das Publikum jedes Wort von den Lippen ablesen kann. Manch eine ihrer Zeilen bekommt sie in Form von Pappschildern dann zurückgespiegelt: „You’re the storm that I belive in“, steht da und hallt umso lauter nach.
Ihre Band agiert dabei jederzeit zweckdienlich. Lediglich Gitarrist Oskar Humlebo nimmt mit dem ein oder anderen Solo einen gewissen Raum für sich in Anspruch. Mit seiner äußerst filigranen Gitarrenarbeit strahlt er auf der Bühne mindestens am zweithellsten.
Unter seiner Regie folgt in einer überaus kurzweiligen Show Hit auf Hit. Nach dem alternativen „Hanging Around“ kommen „Higher“ und „Lovefool“, als würde der Strom an prägenden Melodien, die diese Band verantwortet, nie versiegen.
Zu „I Need Some Fine Wine And You, You Need To Be Nicer”, greift Persson zur Cowbell und die Show zu ihrem Höhepunkt. Noch bevor man sich fragen kann, was eigentlich noch fehlt, setzt „My Favourite Game“ den fulminanten Schlusspunkt.
Zugaben gibt es keine, dafür einen kinofilm-gleichen Abspann auf den LED-Wänden und Handshakes auf der Bühne. Während dieser etwas distanziert wirkenden Szene fällt dann doch auf, dass The Cardigans ihr herrlich unbedarftes Debütalbum „Emmerdale“ ausgespart haben und somit unter anderen auch einen Evergreen wie „Rise & Shine“.
Davon abgesehen hat diese Band live seit ihrer Hochphase nichts von ihrer Strahlkraft verloren. Vielleicht hätten das mit neuer Musik auch wieder mehr Leute auf dem Schirm. Hoffen muss nach diesem Abend erlaubt sein.