Wenn Popkultur und Klassik völlig unprätentiös verschmelzen und dabei so etwas wie ein Bukett bekommen, dann ist das wahrscheinlich Rufus Wainwright geschuldet. Der kanadische Sänger und Songschreiber besticht im Karlsruher Tollhaus mit Drama, Humor und purer Eleganz.
Seit Jahren versuche man, Wainwright für das Zeltival zu gewinnen, so die Veranstalter. Mehrmals sei man nah dran gewesen, doch erst jetzt, zur 40. Ausgabe des wie immer fein kuratierten Festivals, hat es funktioniert.
Im Hitzestau des Tollhauses betritt Wainwright die Bühne und setzt sich an den nachtschwarzen Flügel, selbstverständlich der Marke Steinway & Sons. An einem solchen Abend ist das Beste gerade gut genug und Qualität auf allen Ebenen Pflicht. Der Sound ist durchweg hervorragend, das Licht bleibt traditionell und stilsicher, die Garderobe vornehm, vor allem die des Protagonisten. Nur das Wasser fehlt.
Als Wainwright nach dem ersten Stück „Agnus Dei“ auf die fehlende Erfrischung hinweist, verschwindet die trockene Kehle, zurück bleibt ein unglaublicher Solokünstler: Nur seine Ausnahmestimme und ein Instrument. Erst drei Songs am Flügel, dann zwei an der Gitarre.
Wainwright gibt sich dazwischen gewohnt redselig, vor allem in Bezug auf seine Werke oder abhandengekommenes Merchandise. „I made my second opera. I love saying this. ‘second opera’“. Er erzählt solche Dinge stets auf äußerst sympathische und humorvolle Art und mit einer gesunden Portion Selbstironie: “It was all very artistic and a financial disaster. Which is pretty much my thing.” Gelächter im Saal. Dann wieder andächtige Ruhe.
Wenn seine voluminöse Stimme durch die bestuhlten Reihen klingt, bleibt da nicht die geringste Lücke, nicht der leiseste Zweifel. Schon gar nicht, wenn Rufus Wainwright seinem großen Idol Leonard Cohen mit „So Long, Marianne“ huldigt.
Mitt „Poses“ folgt der Titelsong eines seiner besten Alben, von dem er zum Ende des offiziellen Sets auch „Cigarettes And Chocolate Milk“ berücksichtigt. Beide Stücke sind eindrücklicher Beweis dafür, wie sehr Wainwright Musik für die Bühne schreibt, mit einer unglaublichen Tiefenschärfe und Dynamik, die über das Küchenradio einfach nicht zur Geltung kommen.
Das gilt auch für die beiden Zugaben „Going To A Town“, das mit der Zeile „I’m so tired of you America“ schmerzhaft das finstere Wahlkampfszenario in den USA vor Augen führt, und für das obligatorische zweite Cohen-Cover „Halleluja“.
Beides sind Dramen mit außerordentlichem Chic. Alles strahlt und glänzt mondän, sei es der Steinway Flügel oder der glitzernde Gitarrengurt, die Brosche an seinem Anzug, die grauen Koteletten im Gesicht oder die Tatsache, dass er dem Theater gleich, noch ein zweites Mal zurückkommt, um mit „La Complainte De La Butte“ ein Cover von Jean Renoir zu spielen. Erneut vornehm, feingeistig, beeindruckend, wie eine Flasche bester Lugana.
Wainwright schafft es fast beiläufig, sich für den Moment eines Abends wohlhabend zu fühlen, ohne sich dabei die egozentrischen Begleiterscheinungen des FDP-Klientel anzulasten. Eine Win-Win-Situation, wenn man so möchte.
Nur eine Frage steht noch aus: Wie klingt das Ganze erst im Rahmen einer Band oder eines Orchesters?