Von der australischen, indigenen Künstlerin Emily Wurramara hat hierzulande bisher kaum jemand etwas gehört. Emily entstammt dem Roots-Rock und sammelte viel Erfahrung mit ätherischen Singer/Songwriter-Aufnahmen. Aufgewachsen in der Aborigine-Kultur der Warnindhilyagwa, hat sie ihr Debütalbum “Milyakburra” 2018 teils in ihrer Muttersprache Anindilyakwa veröffentlicht.

Das zweite Album heißt jetzt “Nara”, zu Deutsch “Nichts”, und es verhandelt in englischen Texten das Wechselspiel aus Schmerz und innerer Stärke. Denn nichts blieb Emily nach einem Hausbrand. Sie verlor ihr Hab und Gut, einschließlich aller Erinnerungsstücke, und musste einen Neuanfang bewerkstelligen. Sie nahm das zum Anlass, über das Leben grundsätzlich nachzudenken.

Das Album ist auch ihr stilistisch vielseitiger Einstand als Co-Produzentin. Alle Songs hat sie selbst verfasst, alle wurzeln autobiographisch tief und zeichnen ihre persönliche Entwicklung nach.

Dabei geht die 28-Jährige z.B. mit “Magic Woman Dancing”, einem Stück über Gemeinschaftsgefühl, 13 Jahre weit zurück, bis in ihre Highschool-Zeit. Schon damals schrieb sie einen Entwurf des Liedes.

Heute kommt darin zum Ausdruck, dass persönliche Reifung sich zwar unbequem anfühle, die dadurch errungene Freiheit dies aber wert sei, wie Emily in einem Interview sagte. Insgesamt dient die Platte der Trauma-Bewältigung. Wurramara pendelt zwischen Düsternis und Hoffnung, durchforstet Höhen und Tiefen.

Entsprechend breit zeigt sich das musikalische Spektrum. Es reicht vom plakativen und Blues-gespeisten Verstärker-Rock in “STFAFM” (kurz für “Stay The Fuck Away From Me”) bis zu sehr lockeren Tracks wie “It’s You” und dem Reggae-unterspülten “Boom Biddy Bye”.

Harte Klangfarben, wie zum Beispiel mit einer Wah-Wah-Funk-Gitarre, koexistieren neben ausgesprochen weicher Tonalität voll verträumter Folk-Idylle und Ambient-Beats.

Bei aller “Bittersüße”, einem Schlüsselwort, das in einem Song vorkommt und die ganze Scheibe gut beschreibt, nimmt letztlich der Gewinn an Selbstvertrauen nach Krisen, Ängsten und Verlust überhand.

Somit erweist sich “Nara” als auffallend positiv gestimmtes Album. Immerhin kommt es von einer Künstlerin, die noch vor ein paar Jahren suizidgefährdet war, die nach der Geburt ihrer Tochter Kiki 2017 in postpartaler Depression zum Alkohol griff und die sich als Klimaaktivistin mit der Bedrohung ihrer Heimat, der tasmanischen Insel Bickerton, auseinandersetzte.

So fragil ein Stück wie der wundervolle “Midnight Blues” auch in manchen Takten anmutet, so hypnotisch wirkt zugleich der Power-Pop, der genauso darin steckt.

So sehr Emily Wurramara es auch braucht, ihre Songs in der Nähe von Wasser, Steinen, Pflanzen, zwischen Wind und Wetter zu texten, so offen zeigt sie sich dann andererseits auch für verfremdende Produktionsmethoden jenseits des Folk und benutzt in “Lordy Lord” sogar mal kurz Autotune auf ihrem Gesang.

Das ganze Spektrum ihrer ausdrucksstarken Stimme zwischen Freude und Sorge hört man besonders gut im Track “Friend” heraus.

“Nara” ist eine gelungene Mental-Health-Abhandlung und feiert das Leben mit behutsamen rhythmischen Experimenten und süßen, aber nicht zu süßlichen Melodien.

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