Der Orden für das längste Intro geht an die Bleachers. Nachdem im Kölner E-Werk gestern die Lichter ausgehen, erklingt das gesamte „Drug Free America“ vom Band, bevor Jack Antonoff und seine Mitmusiker die Bühne betreten. Aber das Ausharren in der Hitze lohnt sich.
Zum Opener „I Am Right On Time“ wird das riesige Banner hinter der Bühne enthüllt. Der Bleachers-Schriftzug ist mit einem kleinen Zusatz versehen: „From The Studio To The Stage“ und diesem Motto macht die Band alle Ehre. Denn, was hier an Equipment versammelt ist, könnte ohne Probleme ein erstklassiges Studio bestücken: Zwei Drumsets, mehrere Saxophone, die im Laufe des Abends neben Jack Antonoff eindeutig die Hauptrolle spielen, jede Menge Synthies und natürlich eine Handvoll Gitarren.
Aber ehrlicherweise erwartet man auch genau das, wenn der derzeit erfolgreichste Pop-Produzent, der beispielsweise für die letzten Alben von Taylor Swift verantwortlich ist und mittlerweile zehn Grammys zu Hause stehen hat, mit seiner eigenen Band aufspielt. Natürlich ist der Sound am gestrigen Abend im ausverkauften E-Werk überragend. Und das selbst auf den weniger optimalen Plätzen.
Die These, dass die Studiogenies introvertierte Soundtüftler sind, die sich lieber mit Geräten als Menschen umgeben, widerlegt Antonoff ab der ersten Sekunde. Die Spielfreude, die er an den Tag legt, steckt unweigerlich an. Und so lassen sich schon zum dritten Song „Jesus Is Dead“ vor dem ausufernden Saxophon-Solo alle auf seine Bitte ein, sich niederzuknien und anschließend auf sein Kommando aufzuspringen.
Apropos Kommandos. Immer wieder bemerkt man, wie Antonoff seine Band regelrecht dirigiert. Bei der Akustik-Version von „Alfie’s Song (Not So Typical Lovesong)“ beispielsweise bittet er den Saxophonisten spontan um Unterstützung und erklärt vorher kurz, wie genau er sich das vorgestellt hat. Inklusive angesagtem Tonartwechsel zum Ende des Songs.
„Me Before You“ entfaltet live eine ganz neue Kraft. Die beiden Drumsets vereinen sich zu einer wuchtigen Wand und während Stroboskoplicht bei der Albumversion fehl am Platze wirken würde, macht es in dieser Form absolut Sinn.
„Don’t Go Dark“ endet mit einem fulminanten Duett der beiden Saxophon-Spieler, die sich im Zentrum der Bühne, angestrahlt von einem Spot, einen Dialog liefern. Antonoff steht bewundernd daneben.
„Wir fühlen uns wie Babies. Es ist unsere erste Show in Köln und als jahrelang tourende Musiker, die oft nur vor einer Handvoll Leuten gespielt haben, bedeutet es uns alles, dass ihr heute Abend hier seid.“ Bei dem Feuer, das diese Band über 100 Minuten lang abliefert, nimmt man Jack Antonoff jedes Wort davon ab.
Manchmal verliert sich der Frontmann ein bisschen in seinen Ansagen. Vor „91“ philosophiert er minutenlang über Hinterteile und lädt spontan eine Zuschauerin ein, sich auf den Schlagzeughocker zu setzen, um den Bass zu spüren. Oder er murmelt während eines Pianointros mehrfache „Fucks“ vor sich hin und schließt jedes Mal mit einem „Danke“ ab. Darüber kann man aber in Anbetracht der restlichen Show getrost hinwegsehen.
„Ordinary Heaven“ ist die letzte ruhigere Nummer des Sets und danach reißen die Bleachers – wie von Antonoff angekündigt – das „Dach der Hütte ab“. Zugabe gibt es keine, stattdessen spielt die Band bis zum Ende durch. Mit „Don’t Take The Money“ und „Stop Making This Hurt“ endet der Abend mit lauten Publikumsgesängen.
Das Outro liefert die Band selbst, von denen zum Schluss jeder noch ein Solo abliefern darf. Antonoff reißt sich anschließend für die Verbeugung die Verkabelung vom Körper. Nur die Saxphonisten dürften immer noch nicht Feierabend machen. Während die Band sich verbeugt, spielen die beiden unbeirrt weiter. Im gelben Licht sieht man, wie sich die Silhouetten zu diesen Klängen von der Bühne bewegen wie eine Marching Band.
Was für ein Abgang. Was für ein Abend.