Musik war und ist oft Rebellion. Es gibt aber wohl wenige Musiker*innen weltweit, bei denen Musik im wahrsten Sinne Rebellion darstellt. Garba Touré, Frontmann von Songhoy Blues, wurde 2012 von Jihadisten aus seiner Heimatstadt Diré im Norden Malis vertrieben, als diese dort die Scharia einführten und u.a. Musik verboten haben. Er floh in die Hauptstadt Bamako und gründete dort gemeinsam mit drei anderen Musikern Songhoy Blues. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei der Dokumentarfilm „They Will Have To Kill Us First“ von Johanna Schwartz empfohlen.

Songhoy Blues erhielten große Aufmerksamkeit, konnten für ihren Desert-Blues-Rock bereits mehrfach Preise gewinnen und durften auf großen Festivals wie Glastonbury und Roskilde spielen. 2013 von Damon Albarns Musikkollabo „Africa Express“ entdeckt, wurde schon das Debütalbum „Music In Exile“ ein Erfolg.

Die Musik von Songhoy Blues ist politisch, aber auch lebensnah fröhlich, auf ihrem vierten Album „Héritage“, das sich akustischer zeigt, wirken auch tanzbare Grooves aus ihrer Heimat.

Das Quartett weiß vor allem mit einer vielfältigen Instrumentierung und mitreißender Rhythmik zu begeistern. Die Sprachhürde macht es zwar schwierig, den tieferen Hintergrund von Songs wie dem Opener „Toukambela“ zu ergründen, die mehrstimmigen Gesänge, der Flöteneinsatz und der stimmige Gesang steigern aber das Wohlbefinden.

Dabei beschränken sich die Musiker nicht nur auf die klassischen Rockinstrumente, sondern bringen auch die Akustik der afrikanischen Percussioninstrumente ein, was zum Beispiel „Gambary“ orientalisch mystisch klingen lässt, dem nachfolgenden „Norou“ hingegen ein Lagerfeuer in der Wüste vor das geistige Auge zaubert.

Wenig später findet man sich tanzend und mitsummend bei „Dagabi“ wieder, bevor die Singleauskopplung „Gara“ mehrere Stimmen in Einklang bringt.

„Heritagé“ zeigt in jenen Momenten seinen Soul und Blues, wenn der umtriebige Gesang von mehreren Kehlen angestimmt wird und sich gegenseitig motiviert, aber auch stützt. Sehr eindringlich wirken dies Gesänge – anders, als es Gitarrenakkorde könnten. Diese treten dafür bei „Boutiki“ zupfend bluesig auf, verweigern sich aber der Vereinigung mit dem starken, gebetsartigen Gesang.

Diese Annäherung findet beim entspannten „Boroterey“ statt, das sich allgemein der Saitenkunst verschrieben hat und Folkrhythmik gegen exotische Instrumentalvielfalt eintauscht.

„Batto“ beschwört anschließend akustisch den Gesang, um die Liebe zur E-Gitarre aufleben zu lassen, die auf das Highlight „Garibou“ einstimmt, einem Titel, der alle Rezepturen von Songhoy Blues zu einem eingängigen Musikwerk vereint: Stockend in der Rhythmik fließt der Song mit dem Gesang, bis hin zu einem energischen, eruptierenden Chorus.

„Woyhenna“ und „Issa“ beschließen „Héritage“ harmonisch mit akustischer Vielseitigkeit und dem gewohnt freudigen Gesangseinsatz.

Songhoy Blues lassen sich das Musizieren nicht verbieten. Und gerade dieser Wille hat sie auch außerhalb ihrer Heimat bekannt werden lassen. Das neue Album wendet sich zwar etwas ab vom Desert-Blues-Rock, kann mit der gebotenen akustischen Exotik aber neue Anreize setzen, sich intensiver mit der Band zu befassen.

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