Mit „Earthstar Mountain“ legt Hannah Cohen ihr viertes Album vor – und es ist ein Werk, das nicht nur musikalisch glänzt, sondern sich auch wie eine Landschaft entfaltet: vielschichtig, atmosphärisch und tief durchdrungen von Naturerfahrung und emotionalem Reichtum.

Entstanden in einem umgebauten Studio-Bauernhaus in den Catskills, das sie mit ihrem Partner Sam Owens (alias Sam Evian) bewohnt, ist dieses Album ein klingendes Tagebuch ihrer Zeit dort – Spaziergänge mit dem Hund, wechselnde Jahreszeiten, Trauer, Liebe, Reflexion.

Stilistisch wandelt „Earthstar Mountain“ auf erstaunlich sicheren Pfaden zwischen soulgetränkter Nostalgie, filigranem Folk, psychedelischem Westcoast-Pop und cineastischer Melancholie. Cohen verneigt sich hörbar vor Künstler*innen wie Linda Perhacs, Caetano Veloso oder Isaac Hayes, doch anstatt in bloße Referenzen zu verfallen, lässt sie diese Einflüsse wie Farbtupfer in ihren eigenen Klangkosmos einfließen.

Der Auftakt „Dusty“ ist ein stiller Triumph – zart, federleicht, und doch voller Substanz. Die Flöten- und Streicherarrangements erinnern an Perhacs’ „Parallelograms“, während Cohens Stimme mit traumwandlerischer Sanftheit die Verletzlichkeit des Neuanfangs besingt. Keine Stimmakrobatik, sondern kontrollierte Intimität.

Mit „Draggin’“ schlägt das Album einen deutlich anderen Ton an: leichtfüßiger Indie-Funk, der mit ironischem Unterton familiäre Absurditäten seziert.

Später im Album offenbaren Stücke wie das namensgebende „Mountain“ – ein weicher Trip durch die nostalgische 70er-Radioästhetik mit Sufjan Stevens als stimmlichem Begleiter – oder das atmosphärische Schwesterstück „Earthstar“ Cohens Talent, tiefgreifende Gefühle nicht plakativ auszubreiten, sondern kunstvoll in Klanggewebe aus warmen Synthesizern, feinen Gitarrenverzierungen und sorgfältig geschichteten Harmonien zu verweben.

„Summer Sweat“ bringt Hitze ins Spiel: funky, lässig, körpernah – fast fiebrig in seiner Sinnlichkeit.

Ganz anders dann „Baby You’re Lying“: ein zerbrechlicher Klaviermoment, in dem Cohen mit vorsichtiger Stimme die ersten Risse in einer Beziehung besingt. Nach und nach bauen sich Bass, Drums und ein sanftes Flügelhorn auf – bis das Stück in eine melancholisch dichte Schönheit übergeht.

Am Ende bleibt ein Gefühl der Vollständigkeit. „Earthstar Mountain“ ist kein Sammelsurium schöner Songs, sondern ein fein verwobenes Gewebe aus Klang, Ort und Gefühl – ein musikalisches Naturerlebnis, das lange nachhallt.

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