Michelle Zauner wird immer facettenreicher. Auf ihrem neuen Japanese-Breakfast-Album „For Melancholy Brunettes (& sad women)“ zeigt sich die US-amerikanische Songwriterin mit koreanischen Wurzeln außerdem literarisch bewandert.
Das dürfte mitunter auch daran liegen, dass sie selbst Autorin ist und 2021 den autobiografischen Roman „Crying in H Mart: A Memoir“ veröffentlichte, der in deutscher Sprache unter dem Titel „Tränen im Asiamarkt“ erschien.
Bei „For Melancholy Brunettes (& sad women)” sollte man sich deshalb trotzdem nicht vom Ratgeber-Charakter des Albumtitels täuschen lassen. Weder gibt sie hier Ratschläge, noch stellt sie sich weinerlich an die Seite der Melancholiker*innen. Vielmehr offenbaren sich trotz der ein oder anderen schwermütigeren Zwischennote zehn erbauliche, stilvoll und abwechslungsreich instrumentierte Alternative-Pop-Songs, die ans Herz gehen.
Das schillernd leichtfüßige „Mega Circuit“ etwa reüssiert als Mutmacher und Ablenkung von jedweder Art des Kummers. Ähnlich verhält sich das wunderbar verspielte „Picture Window“, bei dem die Frühlingsgefühle zur Haustür hinaus tanzen.
Obendrein spickt Zauner die Songs mit ihrem literarischen Können und gibt den melancholischen Brünetten und traurigen Frauen auf charmante Weise ein paar Leseempfehlungen an die Hand.
In der mit Streichern verfeinerten Akustikballade „Orlando in Love“ greift Japanese Breakfast auf das Renaissance-Epos „Orlando Innamorato“ von Matteo Maria Boiardo zurück und bettet die Gefahren des Begehrens in eine traumhafte, expansive Klanglandschaft.
„Leda“, ein Song wie ein stilles, aber umso tieferes Wasser, bezieht sich auf den Mythos von Leda und dem Schwan und thematisiert den Wunsch nach Flucht vor männlicher Dominanz.
Das Album schließt mit „Magic Mountain“, einer Anspielung auf Thomas Manns berühmten Roman „Der Zauberberg“, worin Japanese Breakfast den kreativen Prozess als beschwerlichen Aufstieg beschreibt, der letztlich mit einer neuen Perspektive belohnt wird.
Michelle Zauners literarische Referenzen durchziehen ein Album, das sie reifer und vielschichtiger zeigt als jemals zuvor. Dass bei „Men In Bars“ plötzlich noch die Stimme von Schauspieler Jeff Bridges auftaucht, macht die Finesse angenehmer Überraschungen perfekt.